Wie groß darf ein Investor bauen?

Saarlouis · Saarlouis erlebt derzeit einen Bau-Boom für Wohnraum. Doch Abriss-Pläne und eintönige Architektur bringen immer öfter Bürger auf die Palme. Beispiel: Winfried Adam klagt gegen die Genehmigung eines Mehrfamilienhauses. Grund letztlich: der fehlende Bebauungsplan.

 Zwischen Dürerstraße und Wallerfanger Straße sollen zwei Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Foto: Hartmann Jenal

Zwischen Dürerstraße und Wallerfanger Straße sollen zwei Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Foto: Hartmann Jenal

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Die kleine Dürerstraße gilt als eine erste Wohndresse in Saarlouis. Einer der Anwohner, Winfried Adam, fürchtet wegen zweier viergeschossiger Neubauten, dass es zumindest für ihn vorbei ist mit der Wohnqualität. Winfried Adam, Jahrgang 1942, war bis zu seiner Pensionierung Richter am Verwaltungsgericht und dort Vorsitzender der Baukammer, war Lehrbeauftragter für Baurecht an der Saar-Universität.

Adam ist sicher: "Diese Gebäude hätten so nie genehmigt werden dürfen." Darum klagt er vor dem Verwaltungsgericht gegen die Baugenehmigung, also gegen die Stadt Saarlouis. Zudem hat er Beschwerde eingelegt beim Innenministerium mit der obersten Bauaufsicht sowie beim Kreisrechtsauschuss.

Bei dem Streit geht es darum, wie groß die geplanten Mehrfamilienhäuser werden dürfen. Einen Bebauungsplan gibt es, typisch für Saarlouis, nicht. Die Ratsmehrheit wollte auch in letzter Minute keinen aufstellen. Darum gelten die Maßstäbe des Paragrafen 34 Baugesetzbuch. Das neue Gebäude muss sich in die Umgebung einpassen. Das prüft die untere Bauaufsicht (UBA) im Rathaus. Stellt die fest, dass die Kriterien erfüllt sind, muss sie den Bauantrag genehmigen. Eine Wahl hat sie nicht. Beim Nein droht eine Schadenersatzklage.

Arno Modert, Leiter der UBA: "Wir mussten den Bau genehmigen."

Winfried Adam klagt zum Beispiel über zu geringe Abstände zu seinem Grundstück. Modert: "Laut Plan sind die Abstände alle eingehalten." Da gibt es keinen Ermessensspielraum, anders als bei der Frage, ob sich der Neubau in Bestehendes einfügt. Investor und UBA messen das an den hohen neuen Häusern der Neuen Brauerei Straße und am mehrgeschossigen GBS-Bau am Kreisel. Dann fügen sich die geplanten vier Geschosse ein.

Das ist die Logik überall in Saarlouis, wo kein Bebauungsplan besteht: Ein Investor kann argumentieren, sein mehrgeschossiger Bau füge sich ins Bild ein, weil es mangels früherer städtebaulicher Planung immer irgendwo vergleichbar hohe Gebäude gibt.

Auslegungsfähig aber ist die Orientierung an diesen Gebäuden der näheren Umgebung allemal, sagt Adam, es komme eben auch darauf an, was als nähere Umgebung definiert werde. Adam klagt auch, dass 80 Prozent der Grundfläche überbaut würden. Erlaubt seien nur 40 Prozent. Modert: Der Wert gelte für neue Bebauungspläne, nicht für bestehende Situationen. Adam reklamiert auch eine so genannte Baugrenze: Eine Linie, hier im hinteren Bereich, markiert von der bestehenden Bebauung, über die ein Neubau nicht hinausgehen dürfe. Hier ragt das kurze Ende des geplanten L-förmigen Baus über diese Linie und verdunkelt den Garten. Modert entgegnet: In diesem Fall stünden die Häuser so, dass sich eine Grenzlinie gar nicht ergebe.

Es ist zwar die UBA, die entscheidet. Doch Verwaltungschef OB Roland Henz kann den Stadplanungsausschuss um ein (unverbindliches) Votum bitten. Das tat er hier. Jamaika sah darin den Versuch, den schwarzen Peter dem Rat zuzuschieben. Nach der ersten Ausschuss-Sitzung folgte der Investor dem Jamaika-Vorschlag und verringerte die Zahl der Geschosse um eines auf vier.

In zwei weiteren Ausschuss-Sitzungen vertagte Jamaika eine Abstimmung. Henz hätte nach dem Willen des Rates zwischen Adam und Investor vermitteln sollen, sein "Engagement entsprach aber nicht ganz unseren Vorstellungen", wie CDU-Fraktionschef Tim Flasche formulierte. Also wieder vertagt.

Zwischenzeitlich aber reichte der Investor den etwas kleineren, jetzigen Entwurf ein (am 23. Dezember), und die UBA genehmigte ihn. Das Gezerre im Rat ging weiter, man war sich noch nicht mal einig, ob man den neueren Entwurf im Ausschuss präsentiert bekommen habe oder nicht.

Nicht geklärt auch: Wer bezahlt den Schaden, falls ein Gericht die Baugenehmigung als rechtswidrig aufhebt?

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