Wie Einsatzkräfte gegen Gaffer ankämpfen

Saarbrücken · Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst ärgern sich über Schaulustige, die herumstehen und Bilder machen. Das Problem ist so gravierend, dass die erste Feuerwehr im Saarland einen Sichtschutz angeschafft hat.

 Die Feuerwehr Nonnweiler baut bei Unfällen auf der A 1 inzwischen einen solchen Sichtschutz auf. Foto: Feid/Feuerwehr

Die Feuerwehr Nonnweiler baut bei Unfällen auf der A 1 inzwischen einen solchen Sichtschutz auf. Foto: Feid/Feuerwehr

Foto: Feid/Feuerwehr

Was sich am Sonntagabend vor einer Woche in der Ludwigshafener Saarlandstraße abgespielt hat, kann man sich kaum vorstellen: Das Auto eines 30-Jährigen und seiner hochschwangeren Frau prallt mit einer Straßenbahn zusammen - doch statt den Einsatzkräften aus den Füßen zu gehen, behindern 50 Gaffer Polizei und Rettungsdienst, schießen wild Fotos. "Auf den polizeilich angeordneten Platzverweis reagierten einige von ihnen lautstark mit Hohn und Spott", liest man im Polizei-Einsatzbericht.

Auch im Saarland haben Einsatzkräfte zunehmend mit Schaulustigen zu tun, die bei Unfällen daneben stehen und alles auf ihrem Smartphone festhalten. "Das Thema begleitet uns seit Jahren", sagt Bernd Becker, der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes. "Diese Leute sind unbelehrbar." Ein paar Minuten später seien die Aufnahmen schon im Internet und verbreiteten sich über die sozialen Netzwerke. Es sei sogar schon vorgekommen, dass Menschen im Internet vom Unfall eines nahen Angehörigen erfahren hätten, bevor die Polizei die Nachricht überbracht habe. "Das ist natürlich ganz schlimm", sagt Becker.

Auch beim Rettungsdienst ist von einem "ärgerlichen und auffälligen Phänomen" die Rede, das man seit Jahren zunehmend wahrnehme. Dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Saar sind bislang aber keine Fälle bekannt, in denen Rettungsassistenten und -sanitäter an ihrer Arbeit gehindert wurden. Wenn, dann gebe es vereinzelt Einschränkungen beim Erreichen einer Einsatzstelle. Zuletzt wurde am Freitag in St. Ingbert ein entsprechender Fall öffentlich.

Die Feuerwehr in der Gemeinde Nonnweiler hat auf den ärgerlichen Gaffer-Trend der vergangenen Jahre reagiert, indem sie eine Trennwand angeschafft hat. Der gut sechs Meter lange Sichtschutz soll Opfer und Retter vor den Blicken Neugieriger schützen. Die Wand wird mit ein paar Handgriffen aufgestellt und kommt zum Einsatz, wenn die Feuerwehr zu Unfällen auf der A 1 ausrückt. "Das ist eine sehr gute Lösung", sagt Becker. Gut möglich also, dass künftig weitere Feuerwehren im Land eine solche Sichtblockade anschaffen. Auf der Nonnweiler Wand steht: "Pressevertreter bitte melden bei der Einsatzleitung". Auch das ist Becker wichtig: Die Medien sollten ihre Aufgabe erledigen können. "Mit offiziellen Presseleuten haben wir keine Probleme", sagt er.

Die Politik reagiert auf den Gaffer-Trend, der laut der Polizei "alle Gesellschafts- und Altersschichten" erfasst hat. Die Bundestagsabgeordneten werden demnächst über einen Gesetzentwurf diskutieren und abstimmen, den der Bundesrat im Juni - mit Unterstützung des Saarlandes - beschlossen hatte. Künftig soll mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, wer Helfer der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert. "Durch den neuen Straftatbestand werden somit auch das bloße Sitzen- oder Stehenbleiben oder sonstiges Nichtentfernen von Zugangshindernissen erfasst", heißt es im Gesetzentwurf. Bislang macht sich nur strafbar, wer Rettungsarbeiten durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert. Die Strafverschärfung werde von den Feuerwehrleuten begrüßt, sagt Verbandschef Becker.

Auch ohne Gesetzesverschärfung können Schaulustige schon heute belangt werden. Infrage kommen zum Beispiel Bußgelder nach der Straßenverkehrsordnung sowie Geld- oder Haftstrafen wegen unterlassener Hilfeleistung, Nötigung oder unbefugter Aufnahmen hilfloser Personen. Letztgenannter Punkt soll durch die Gesetzesnovelle ebenfalls verschärft werden, denn bislang stellt das Strafgesetzbuch nur Aufnahmen hilfloser, aber lebender Menschen unter Strafe - wer einen Unfalltoten fotografiert oder filmt, hat nichts zu befürchten, so makaber das klingen mag.

Ein großes Problem können Gaffer vor allem für die Sicherheit im Straßenverkehr sein. Wer abbremst, um einen Blick auf die Gegenfahrbahn zu erhaschen, wo gerade Rettungskräfte im Einsatz sind, kann selbst zur Gefahr für andere werden. Als erstes Bundesland hat deshalb Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr für sein gesamtes 2200 Kilometer langes Autobahnnetz Sichtschutzwände angeschafft, die im Prinzip funktionieren wie die Wand in Nonnweiler, nur wesentlich größer sind. Mit jedem der zwölf Systeme (bestehend aus 40 Elementen) können die Autobahnmeistereien eine 100 Meter lange undurchsichtige Wand errichten. Ob der Sichtschutz eingesetzt wird, entscheidet der Einsatzleiter der Polizei . Infrage kommt die Sichtschutzwand aber nur bei größeren Unfällen, denn bis die Elemente vor Ort sind und stehen, können 100 Minuten vergehen.

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