Wie das Netz die Tafel sieht

Saarbrücken · Die Saarbrücker Tafel hat nach einem halben Jahr den Aufnahmestopp beendet (wir berichteten). Denn auch danach meldeten sich Hunderte, die auf günstige Lebensmittel angewiesen sind. Der Bericht löste eine große Diskussion auf den SZ-Facebookseiten aus. Wir geben sie in Auszügen wieder und lassen den Tafel-Vorstand in Anmerkungen zu Wort kommen. Etwa wenn es um das Mindesthaltbarkeitsdatum geht.

 Etwa zweieinhalb Tonnen Lebensmittel verteilen die Helfer in Burbach an jedem Werktag. Archivfoto: iris Maurer

Etwa zweieinhalb Tonnen Lebensmittel verteilen die Helfer in Burbach an jedem Werktag. Archivfoto: iris Maurer

Pia Portz: Ich verstehe nicht, dass man Supermärkte nicht verpflichtet, Ware abzugeben, die sie ansonsten in den Müll geworfen hätten, da käme so viel zusammen.

Kerstin Eiden: Die Geschäfte müssten laut Gesetz verpflichtet werden, dass sie die Nahrung nicht wegwerfen dürfen, sondern stiften müssen. Freiwillig machen das die großen Marktketten nicht.

Karl Gruwe: Ich will gar nicht wissen, wie viele Idioten, die es sich eigentlich leisten könnten, das dann ausnutzen und statt zu kaufen abwarten, bis die Geschäfte spenden müssen! Und wenn nicht, kommen wieder irgendwelche scheinheiligen Politiker und beschweren sich, dass man solch altes Essen den Leuten doch nicht mehr anbieten kann!

Joachim Theis: Karl Gruwe, tolle Sorgen haben Sie...

Karl Gruwe: Joachim Theis, das sind keine Sorgen, nur ein passendes Stück Realismus!

Margareth Gorges: Man kann es kurz und knapp formulieren, die Tafeln betreiben neoliberales Armutsmanagement. Die Menschen, die bei den Tafeln anstehen, als "Kunden" zu bezeichnen, entstammt unmittelbar dem Wörterbuch des neoliberalen Unmenschen. Die Tafeln sind nicht dazu da, an den gesellschaftlichen Verhältnissen etwas zu ändern, sondern die zunehmende Anzahl an Bedürftigen ruhigzustellen.

Renate Fortun: Es ist doch besser, die Lebensmittel dort abzugeben, als alles zu vernichten...

Arndt Wiesner: Vielen Dank an die unzähligen Helfer, die sich jede Woche mühen, um ein gerechtes Menü zusammenzustellen. Dies ist sicher nicht so einfach.

Hatice Ziewers: Dass es so was gibt, finde ich gut. Und allen Helfern dort Respekt.

Edith Gothe: Saarbrücker Tafel muss Rationen kürzen ? Wie wäre es mit mehr verteilen als selbst einstecken?

Anmerkung: Einige der Ehrenamtlichen, die sich in der Tafel-Arbeit engagieren, sind selbst so arm, dass sie Lebensmittel beziehen dürfen. "Wir haben viele Bedürftige bei uns, die ein großes Engagement mitbringen, um anderen zu helfen", sagt ein Vorstandsmitglied.

Jennifer Ma: Ich finde den Grundgedanken der Tafeln wirklich gut, aber leider sind die Auflagen der Tafeln sehr hoch. Es wird von den Händlern erwartet, dass die Ware am Ausgabetag der Tafel noch haltbar ist, wenn das z.B. nur ein- oder zweimal die Woche ist, können einige Dinge aufgrund dieser Auflage nicht mehr gespendet werden. Und mal ehrlich: Wer stört sich schon dran, wenn eine Flasche Cola ein paar Tage übers MHD ist. Solange es kein Verbrauchsdatum ist wie bei Fleisch, finde ich das nicht schlimm. Anderes Beispiel: Edeka hat einmal im Jahr eine groß angelegte Tafeltütenaktion, bei der auch viele Edeka-Ableger mitmachen. Aber einige Tafeln (ich sage mal bewusst nicht, welche) wollen die zum Teil wirklich großzügigen Sachspenden nicht abholen kommen oder lehnen Spenden dieser Art direkt im Vorfeld ab.

Dominick Guldner: Es ist in der Tat so, dass die Tafel vieles von dem, was die bekommen könnten, nicht annehmen, da entweder schon über dem MHD oder irgendwelche Schönheitsfehler an der Verpackung oder am O+G sind (...) Dazu kommt das allgemein falsche Verhalten gegenüber Lebensmitteln. Nur weil es über dem MHD ist, ist es nicht schlecht. Ein Produkt kann ja nicht lesen was außen dran steht :-) Die geplante Obsoleszenz (Anm. d. Red.: die geplante, absichtliche Verringerung der Lebensdauer von Produkten) hat den Lebensmittelbereich zum Glück noch nicht erreicht. Hinzu kommt allerdings (verständlicherweise), dass viele Tafeln ein Verbot haben, kühlpflichtige Ware abzuholen, da sie nicht gewährleisten können, dass die Kühlkette während des Transports nicht unterbrochen wird.

Somit bleibt meistens nur noch O+G als Spende übrig, und da fehlt es mittlerweile vielen am Know-how, wie faulige und schimmlige Stellen zu bearbeiten sind. Und ob es dann die Tafel selbst wegwirft oder das Unternehmen, weil schon vor Ort selektiert wurde, spielt dann auch keine Rolle mehr.

Anmerkung: Die Saarbrücker Tafel legt, wie ein Vorstandsmitglied betont, Mindesthaltbarkeitsdaten (MHD) nach dem gesunden Menschenverstand aus und weist Spenden nicht von vornherein zurück, nur weil das MHD überschritten ist. Lebensmittelspenden mit sichtbaren Mängeln lehnt die Tafel ab.

Susanne Dosch: Die Schande ist, dass es überhaupt Tafeln geben muss...

Christoph Reiner Hoffmann: Im reichen Deutschland 2016! Eine Schande!

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