Wie Bund und Länder jetzt pokern

Saarbrücken · Der Bund will der Reform des Länderfinanzausgleichs offenbar nur zustimmen, wenn die Länder ihm mehr Zuständigkeiten übertragen. Dabei könnte es auch um die Straßenbau- und die Steuerverwaltung gehen.

Die große Koalition im Saarland ist zuversichtlich, dass in den Bund-Länder-Finanzverhandlungen bald eine Einigung erzielt wird. Im Dezember hatten die 16 Bundesländer überraschend einen Kompromiss gefunden, der für das Saarland Verbesserungen von 500 Millionen pro Jahr bedeuten würde. Der Bund müsste dabei aber rund 9,7 Milliarden Euro statt der zugesagten 8,5 Milliarden beisteuern. Seine Zustimmung steht noch aus, die Bundesregierung hält sich bislang bedeckt.

SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn zeigte sich optimistisch, dass bis März eine Einigung gefunden wird. Dann stehen drei Landtagswahlen an, die die Verhandlungen erschweren würden. Ob eins zu eins umgesetzt werde, worauf die Länder sich geeinigt hatten, könne er zwar nicht sagen, doch er gehe davon aus: "Es macht keinen Sinn, die Verhandlungen nochmal aufzudröseln."

Auch CDU-Fraktionschef Tobias Hans sieht gute Chancen für eine Einigung: "Nachdem die 16 Länder einen Kompromiss gefunden haben, glaube ich nicht, dass der Bund Nein sagen wird." Zudem ließen sich die 9,7 Milliarden durch steuerliche Mehreinnahmen des Bundes abdecken. Die Höhe der Summe sei für das Saarland nicht verhandelbar, betonte Hans. Möglichkeiten, dem Bund entgegenzukommen, sieht er jedoch bei den Zuständigkeiten etwa bei der Verkehrsinfrastruktur.

Schon 2014 wurde deutlich, welche Strategie der Bund in den Verhandlungen mit den Ländern verfolgt: Geld gegen Einfluss: Der Bund gibt mehr Geld in den Finanzausgleich , fordert dafür aber mehr Zuständigkeiten von den Ländern. Nun soll er noch eine Milliarde mehr drauflegen. "Dafür wird er eine Gegenleistung verlangen", sagt der Magdeburger Föderalismus-Experte und Politikprofessor Wolfgang Renzsch, der auch mit den Saar-Finanzen vertraut ist. Der Bund habe ein Interesse an einer Einigung: "Es ist die Gelegenheit, Kompetenzen an sich zu ziehen."

Seit Längerem ist bekannt, dass der Bund die Zuständigkeit für Bundesstraßen und Autobahnen gerne komplett übernehmen und in einer Bundesfernstraßengesellschaft bündeln würde. Bislang sind die Länder hier im Auftrag des Bundes tätig. Vereinfacht gesagt: Der Bund legt fest, welche Bundesstraße oder welche Autobahn neu gebaut oder saniert wird, er bezahlt auch und die Länder - im Saarland der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) - setzen dies um. Als private Gesellschaft könnte sich die Bundesfernstraßengesellschaft am Kapitalmarkt über Kredite finanzieren - unter Umgehung der Schuldenbremse. Gleichwohl müsste dafür das Grundgesetz geändert werden. Die Länder waren davon bislang nicht begeistert, schließlich hätte es massive Auswirkungen auf ihre Straßenbau-Verwaltungen.

Pauluhn gab sich in diesem Punkt denn auch zurückhaltend: Es gebe berechtigte Ängste der Beschäftigten. Verdi-Expertin Antje Schumacher-Bergelin sagte der SZ, es stünden sichere Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst auf dem Spiel. "Der Staat zieht sich aus seiner Verantwortung zurück." Es drohe eine Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, etwa des Winterdienstes auf Bundesstraßen und Autobahnen .

Ob das Saarland auf die Forderungen des Bundes eingehen wird, hänge vom "Gesamtpaket" ab, sagte Pauluhn. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) habe mehrere Forderungen gestellt. Würde man diese alle umsetzen, käme das einer Föderalismusreform III gleich, also einer dritten grundlegenden Reform der Zuständigkeiten von Bund und Ländern nach 2006 und 2009, sagte Pauluhn.

Schon 2014 hatte der Bund zum Beispiel auch gefordert, ihm große Teile der Finanzämter zu übertragen. Renzsch sagt, eine solche Bundessteuerverwaltung wäre die "logische Konsequenz" des von den 16 Ministerpräsidenten angestrebten Kompromisses. Denn der Bund nehme künftig eine wesentlich stärkere Rolle im Ausgleichssystem ein, das sich von einem horizontalen System (finanzieller Ausgleich von reichen zu armen Ländern) stärker zu einem vertikalen System (Ausgleich des Bundes an die Länder) entwickeln werde.

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