Wer beweist die Bergschäden?

Saarbrücken · Die so genannte Bergschadensvermutung im deutschen Bergrecht beschäftigt jetzt den Landtag. Grünen-Fraktionschef Ulrich fordert von der Landesregierung einen Vorstoß zur Gesetzesänderung im Bundesrat.

 Unser Archivfoto aus der Reisbacher Kirchenstraße zeigt Schäden nach Grubenbeben. Foto: Engel&Seeber

Unser Archivfoto aus der Reisbacher Kirchenstraße zeigt Schäden nach Grubenbeben. Foto: Engel&Seeber

Foto: Engel&Seeber

. So lange noch Kohle tief unter saarländischer Scholle abgebaut wurde, war die Rechtslage klar. Bei Bergschäden an Häusern oder Straßen musste das Abbauunternehmen RAG beweisen, dass es dafür keine Verantwortung trug. Was bei den vielen Grubenbeben bis zum Bergbauende 2012, die Risse, Löcher und Senkungen hervorriefen, kaum der Fall war. Jetzt jedoch, da die Schrämmaschinen außer Dienst sind, scheint das Bundesberggesetz nicht mehr zu greifen. "Die Bergschadensvermutung im Bundesberggesetz, Paragraf 120, gilt eben nur für den aktiven Bergbau", sagte Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich der SZ. "Die Beweislast für die betroffenen Menschen dreht sich um", erklärte der Saar-Grünen-Chef. Wenn es jetzt etwa in Reisbach aufgrund der Grubenflutungen zu Hebungen komme und es entstünden Risse an den Häusern, stünden die Hauseigentümer vor einem Problem. Wenn diese einen Bergschaden vermuteten und die RAG dafür haftbar machen wollten, könne der Bergbau-Konzern sagen: "Nein, sie müssen uns beweisen, dass der Schaden von uns angerichtet worden ist." Ulrich betonte, dass diese Beweisführung für einen Hausbesitzer schlicht unmöglich sei. Das sei ein unhaltbarer Zustand, es gehe um die nächsten Jahrzehnte im Saarland, wo große Wohngebiete über ehemaligem Abbaugrund liegen. "Da wird es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wieder zu Schäden kommen", sagte Ulrich.

Die Tragweite der Problematik hätten auch die Regierungsparteien CDU und SPD erkannt und deshalb dem Grünen-Antrag im Landtag mit zugestimmt, die Frage der Änderung des Bundesberggesetzes im Ausschuss für Grubensicherheit zu behandeln. "Die Änderung des Bundesberggesetzes geht nur über eine Initiative im Bundesrat", sagte Ulrich. Ohne Aussicht auf Erfolg sei ein solcher Vorstoß nicht. Das Land Nordrhein-Westfalen habe 2014 einen ähnlichen Vorstoß hinsichtlich des Braunkohletagebaus in der Ville unternommen, der nicht vom Gesetz erfasst gewesen sei. Das werde jetzt geändert, so Ulrich. NRW werde sich auch dem Vorstoß aus dem Saarland anschließen.

CDU und SPD hätten zwar rechtliche Bedenken angemeldet, doch Gutachterbefragungen im Ausschuss könnten Klarheit bringen. Ulrich forderte die Landesregierung auf, entschlossen die Gesetzesänderung im Bundesrat vorzubringen. Wenn jetzt Grubenschäden aufträten, liege die Beweislast noch bei den Betroffenen.

Meinung:Späte Einsichten nach Abbauende

Von SZ-Redakteur Dietmar Klostermann

Offenbar können Saarländer, die über ehemaligen Kohleabbaufeldern wohnen, von Glück sagen, dass es nach dem Sommer 2012 nicht zu Schäden an ihrem Eigentum gekommen ist. Denn die Politik hat erst drei Jahre danach festgestellt, dass im Bundesberggesetz eine Lücke klafft, die nach Bergbauende die Beweislast zuungunsten der Geschädigten umdreht. Jetzt, da intensiv über Grubenflutungen debattiert wird, ein neuer Ausschuss und ein Untersuchungsausschuss im Landtag arbeiten, haben die Grünen die Gesetzeslücke entdeckt, was verdienstvoll ist. Doch noch verdienstvoller wäre es, wenn die Mehrheitsfraktionen von CDU und SPD ihr Gewicht in Berlin in die Waagschale werfen würden, um die Gesetzeslücke zu verfüllen. Denn Gerechtigkeit gegenüber Bergbaugeschädigten gehört zu den Ewigkeitslasten dazu.

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