Wenn das Zwischenmenschliche fehlt

Saarbrücken · Menschen mit sozialen Entwicklungsstörungen tun sich oft schwer, einen Job zu finden. Haben sie einen, kommen sie am Arbeitsplatz nicht immer zurecht und ecken oft an. Hier soll nun eine individuelle Betreuung helfen.

Der neue Arbeitskollege verhält sich seltsam. In der Gruppe und in Konferenzen ist er oft überfordert, zurückhaltend und still - und das Gespräch mit anderen sucht er auch nie. Doch die Arbeit, die er abliefert ist immer von höchster Qualität. Was ist mit ihm?

Autisten sind selten auf den ersten Blick zu erkennen. Im Arbeitstrubel gehen sie mit ihren sozialen Entwicklungsstörungen oft unter. Denn vor allem dort fehle es an Hilfestellungen, sagt die Geschäftsführerin des Autismus-Therapie-Zentrums Saar, Anne-Rose Kramatschek-Pfahler. Gemeinsam mit vier Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hat sie ein Konzept für ein Job-Coaching entwickelt. "Die Autisten sollen ganz individuell betreut werden", sagt Kramatschek-Pfahler. Das fange mit dem Erstellen der Bewerbungsunterlagen an und gehe bis hin zu Rollenspielen und der Begleitung zu den Vorstellungsgesprächen. "Autisten haben teilweise die besten Noten im Studium oder besitzen sogar Doktortitel", sagt Kramatschek-Pfahler. Sie suchen sich ihre Nische, sind zum Beispiel talentierte Physiker oder Ingenieure. Diese Talente in eine Behindertenwerkstatt abzuschieben, sei ein Fehler.

Das Studenten-Team der HTW hat ein halbes Jahr lang Unternehmen im Saarland befragt. "Wir wollten wissen, was Personaler über Autismus wissen", sagt Susanne Schuler, Studentin der Wirtschaftswissenschaft. Dabei habe sich gezeigt, dass Personaler bislang wenig Erfahrung mit Autisten haben. Eine soziale Störung sei nicht so offensichtlich wie etwa eine körperliche Behinderung. Den Autisten fehle einfach das Gefühl für ein zwischenmenschliches Miteinander. Daher helfe das Job-Coaching nicht nur den Autisten selbst, sondern auch den Unternehmen. "Der Job-Coach soll als Vermittler zwischen Unternehmen und den Betroffenen wirken", erläutert Autismus-Therapeut Christoph Giloi.

Wie oft ein Coach zum Einsatz kommt, hänge von der Ausprägung der sozialen Störung ab. "Wir hoffen natürlich, dass die Betreuung nach und nach abnimmt, der Betroffene eine Art Routine im Arbeitsleben entwickelt" sagt Giloi. Dennoch könne es sein, dass ein Autist immer Betreuung braucht.

Bundesweit gibt es bereits einige Firmen, die ein Job-Coaching für Autisten anbieten. "Auticon in Berlin setzt beispielsweise ausschließlich Autisten im IT-Bereich ein", erzählt Giloi. Im Saarland bestehe da noch ein Defizit, das wollen er und Kramatschek-Pfahler ändern. Beide hoffen, dass viele Unternehmen dazu bereit sind.

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