Was ist das Abitur noch wert?

Saarbrücken · Fast jeder zweite Schulabgänger macht Abi. Das aber macht die Entscheidung über den nächsten Ausbildungsschritt nicht leichter. Ganz im Gegenteil, wie die Ansichten dreier Neu-Abiturienten zeigen.

 Ein hartes Stück Arbeit liegt hinter fast dem kompletten Abi-Jahrgang 2015. Aber die Entscheidung über den nächsten Schritt hat's auch in sich. Archiv-Symbolfoto: Hildenbrand/dpa/gms

Ein hartes Stück Arbeit liegt hinter fast dem kompletten Abi-Jahrgang 2015. Aber die Entscheidung über den nächsten Schritt hat's auch in sich. Archiv-Symbolfoto: Hildenbrand/dpa/gms

Das Abi 2015 ist fast geschafft. Zahlreiche Schüler stehen jetzt kurz vor der Ziellinie. Sie müssen nur noch die mündliche Prüfung bestehen. Dann haben sie das Zeugnis in der Tasche. Wer sich erst jetzt Gedanken um das Danach macht, ist spät dran.

Denn die Bewerbungsfristen für zulassungsbeschränkte Fächer an deutschen Hochschulen enden Mitte Juli. Dass es die meisten Absolventen an die Uni zieht, ist nachvollziehbar, denn mit Abitur stehen einem alle Türen offen.

Und die meisten gehen mit Top-Noten auf die nächste Ausbildungsetappe. 1990 durften dem "Focus" zufolge noch 31,4 Prozent aller deutschen Schulabgänger studieren, hatten also die Hochschulzugangsberechtigung in der Tasche. 2010 waren es demnach mit 49 Prozent beinahe die Hälfte der Abgänger. Was das für den Wert des Abiturs bedeutet, wollten wir von drei Abiturienten wissen. Auch wenn die drei zum Zeitpunkt der Interviews die mündliche Prüfung noch vor sich hatten, war allen das Abi sicher. Nur die Note stand noch nicht fest.
Hannah hat ein hohes Ziel

Hannah Stodden (18) vom Ludwigsgymnasium hat vor, möglichst direkt nach der Schule Medizin zu studieren. Ein sehr hohes Ziel. Ein guter Numerus Clausus zwischen 1,0 bis 1,2 ist dafür nötig. Sie ist aber zuversichtlich, dass sie den Notenschnitt packt. Miriam Johanns, ebenfalls 18, hat ein ähnliches Ziel. Sie möchte in einem Jahr Tiermedizin studieren. Davor würde sie gern für ein paar Monate ins Ausland und zusätzlich ein Praktikum in einer Tierarztpraxis machen, "zur Vergewisserung", wie sie ergänzt.

Katharina Petry (17) macht ihr Abi am Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium. Sie will schon ab diesem Jahr Psychologie studieren. Sie ist sich noch nicht sicher, ob sie direkt einen Studienplatz bekommt, im Studiengang Psychologie ist die Konkurrenz groß, wie sie bei der Wahl ihres Studienfachs festgestellt hat.

Auf die Frage nach Stellenwert und Schwierigkeitsgrad des Abiturs, verglichen mit 1990, sehen die drei durchaus kritisch auf die Gegenwart. Miriam hält das heutige Abi "auf jeden Fall" für leichter, wie sie sagt. "Viele kriegen das Abitur doch schon hinterhergeschmissen", sagt Miriam und verweist als Beispiel auf die Sportgymnasien: "Da steht die sportliche Leistung über allem." Auch Katharina sieht die Hürden zum Abi heute deutlich niedriger als vor einem Vierteljahrhundert: "Ob man es schafft, ist heute keine Frage mehr, sondern wie."
Knifflige Frage: Uni oder Lehre?

Auf die Frage, ob sie denn statt eines Studiums eine Lehre in Betracht ziehe, antwortet Katharina: "Ja, schon. Ich hatte mal die Idee, eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten zu machen. Aber mit einer Ausbildung hat man einfach keine Chance auf dieselben Positionen. Es ist schwerer, sich weiterzubilden."

Miriam gibt ihr Recht. "Häufig ist der Wechsel auf ein anderes Gebiet schwieriger. Außerdem ist eine Ausbildung nicht so viel wert wie ein abgeschlossenes Studium", sagt sie.

Nach den Vorteilen einer Ausbildung befragt, sagt Miriam: "Klar gibt's die. Man verdient schon früh Geld und bekommt direkt einen Eindruck von der Berufswelt. Und natürlich winkt der Ausblick auf eine Festanstellung nach dem erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung."

Hannah findet, dass die Nähe zum Berufsalltag einiges bringt, wie ihn eine betriebliche Ausbildung nun einmal vermittele: "Ja, ich glaube, das mit der Praxiserfahrung ist sehr wichtig. Man fühlt sich nach der Schule nicht gerade gut auf das Berufsleben vorbereitet. Und ich denke, nach dem Studium geht das vielen genauso."

Hannah betont denn auch, dass es Wahlmöglichkeiten gibt nach dem Abschluss. "Abi heißt ja nicht automatisch, dass man studieren muss. Die Leute müssen einfach herausfinden, was sie gut können, ob ihnen ein theoretisches Studium oder eine praxisorientierte Ausbildung besser liegt."

Katharina weist auf einen Verdrängungswettbewerb hin: "Dann wird es beispielsweise für Realschüler schwerer, eine Ausbildung zu bekommen. Weil immer mehr Schüler das Abitur schaffen, bewerben sich auch mehr mit Abi für eine Ausbildung. Und kommt einer mit Realschulabschluss und einer mit Abi in eine Firma, kriegt natürlich der mit Abi die Ausbildung."

Miriam weist auf eine weitere Folge der guten Abinoten hin: "Deswegen sinkt der NC immer weiter. Für alle unter 2,5 kommen viele Studiengänge schon gar nicht mehr in Frage."

Klar, dass Miriam deswegen Abiturienten mit einem guten Abschluss klar im Vorteil sieht. "Es stehen einem damit einfach alle Türen offen. Trotzdem stimmt es, dass es immer leichter zu kriegen ist. Da überschätzen sich manche und fangen ein Studium an. Sie kommen dann aber meistens nicht weit und schaffen keinen guten Abschluss, weil sie einfach nicht für ein lernorientiertes Studium geschaffen sind. Es wird schwieriger, sich richtig zu entscheiden."

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