Was hinter der Hoffnung liegt

Saarbrücken · Im Zuge der Ausstellung sprachen Künstler, Flüchtlinge und Politiker unter der Überschrift „Kunst hilft! Hilft Kunst?“ zum Thema Flucht und Frieden. Es moderierte die SZ-Redakteurin Ilka Desgranges. Einige Aussagen der Teilnehmer haben wir hier kurz zusammengefasst.

 Künstler, Flüchtlinge und Politiker sprachen im Kulturbahnhof über Flucht und Identität. Fotos: Rich Serra

Künstler, Flüchtlinge und Politiker sprachen im Kulturbahnhof über Flucht und Identität. Fotos: Rich Serra

"Hast du schon einmal Frieden erlebt?", fragt sie. "Noch nie", antwortet er, ohne nachzudenken. Die zwei sitzen sich gegenüber an einem kleinen Tisch, die Szene ist starr aus der Vogelperspektive aufgenommen. Er kommt aus Afghanistan, doch wer er ist, bleibt unklar, sein Gesicht sieht man nicht. Nur sie schaut am Anfang in die Kamera nach oben, Leslie Huppert, die Saarbrücker Künstlerin, die dieses Projekt ins Leben gerufen hat. "Random Mobile Peacetalks", Friedensgespräche also, heißt die Aktion die im Rahmen ihrer aktuellen Ausstellung "Moving Identity III" von Freitag bis Sonntag im KuBa gezeigt wurde. Mit zwölf jungen Syrern und Afghanen hat sie versucht, deren "moving identities", also bewegende Identitäten, in Gemälden festzuhalten.

Dabei sei sie sich zuerst gar nicht sicher gewesen, ob sie sich weiter künstlerisch mit dem Thema der Flucht auseinandersetzen solle, da fast jeder Künstler das Thema mittlerweile gewissermaßen ausgeschlachtet habe. Doch dann habe sie sich gefragt, warum solle jetzt gerade sie, die sich seit Jahren mit diesen Themen beschäftigt, nun damit aufhören. Also hat sie es dennoch gewagt.

Ein Gemälde, das dabei entstanden ist, zeigt fünf der Jugendlichen, gemalt auf einem bunten Hintergrund. Die fünf haben das Bild selbst zusammen gemalt. In den Ecken befinden sich jeweils schwarz-weiße Quadrate. Ein schneller Scan dieser Quadrate mit einer speziellen Smartphone-App ruft ein Video auf. "Als ich im Iran war, dachte ich, wenn ich in Europa bin, habe ich keine Probleme mehr. Aber das ist nicht so. Das Leben hier ist auch schwer, man muss sehr fleißig sein", sagt Mohammed Ali Mirzaie darin.

Die Quadrate sind QR-Codes, ähnlich wie die Barcodes im Supermarkt. Sie führen zu Videos im Internet, in denen Leslie Huppert mit den jungen Flüchtlingen redet. Auch Javad Hasanzade hat an dem Bild mitgemalt. Der 17-Jährige ist seit zwei Jahren in Deutschland, spricht schon erstaunlich fließend und geschickt Deutsch. Er erklärt die persischen Begriffe, die sie auf dem Bild verewigt haben. "Traum, Familie, Respekt, Zukunft, Hoffnung, Mut. Es sind Wörter , mit denen wir jeden Tag zu tun haben", sagt er.

"Die Flucht, bei der viele sterben und viele leiden. Über die viele reden, gegen die viele kämpfen. Das ist die Flucht", sagt Javad im Videogespräch mit Leslie. Und dass er in den Bildern versucht, die Schrecken der Flucht zu verarbeiten, das zeigen seine weiteren Bilder. Sie sind voller Symbolik, voller Hoffnung auf ein besseres Leben.

Ein Gemälde zeigt ein junges Paar, das auf eine hell erleuchtete Tür zuläuft. Das grelle Licht sei die scheinbar helle Zukunft, denn wer direkt ins Licht schaut, sieht nicht was hintendran liegt, sagt er. Genauso wie jemand, der sich entscheide zu flüchten, auch nicht weiß, was hinter der Hoffnung auf ein besseres Leben liege. Hinter ihnen fliegen Luftballons nach oben, ein Symbol für ihr altes Leben, von dem sie sich nun lösen und das für immer verschwindet, wie Javad erklärt.

Ein anderes Gemälde zeigt ebenfalls zwei flüchtende Personen, von der Dunkelheit ins Licht, ein schwarz-brauner Verlauf ins Weiße des Papiers zeigt das deutlich. Die einzig bunte Farbe auf dem Gemälde: das rote Herz des Flüchtenden, wie auch auf dem ersten Gemälde. Denn, das Herz, die Liebe, die sind Javad und seinen Freunden besonders wichtig. So steht auf einem der Gemälde groß: "Mit Liebe können wir in Frieden zusammen leben." "Die Menschen hier vor Ort erschweren das alles viel mehr, als es sein müsste. Als gäbe es nicht schon genug Dinge, die zu regeln wären, machen die Leute es sich hier noch komplizierter und lassen sich von ihren Vorurteilen und Idealen wahnsinnig einschränken." - Julia Pierzina (HBK-Studentin) über die Motivation zu ihrem Kunstprojekt.

"In letzter Zeit, nach dem Projekt war ich mit Javad unterwegs unter anderem zu Bekannten von mir, die eher kritisch gegenüber Ausländern sind. Dort haben wir uns hingesetzt, einen Tee getrunken und uns ein bisschen unterhalten. Und dann haben die gehört, dass er alleine hierher gekommen ist. Und dann war plötzlich alles weg, dieses ganze rechte Gedankengut, dieser ganze Mist, dieser ganze Quatsch. Denen ist so richtig die Klappe runtergefallen. ,Wie, du bist ganz alleine hergekommen? Wie, du warst da erst 15? Und deine Eltern? Das geht doch nicht.' Und dann hat er ihm einen Job angeboten. Und wir haben uns so gefreut, als wir da rauskamen, weil das war genau, was wir erreichen wollten, dass Kommunikation entsteht." - Leslie Huppert (Künstlerin und Organisatorin des Projekts).

"Ich bin im Iran geboren, dort war ich als Afghane auch ein fremder Mensch. Mit dem Wort Flüchtling bin ich einfach aufgewachsen. Aber dieses Wort finde ich nicht passend für einen Menschen. Sie können auch ein anderes Wort sagen. Zum Beispiel Lebenssuchende, Friedenssuchende oder so etwas. Aber Flüchtlinge , das hört sich meiner Meinung nach schlecht an. " - Javad Hasanzade.

"Ich denke auch über die Bezeichnung ,mit Migrationshintergrund' nach. Das Problem ist meistens nicht das Wort an sich, sondern was man reininterpretiert. Und die Worte leeren sich dann irgendwann aus. Die Worte sind beladen. Und du kannst das schönste Wort nehmen, wenn die Politik und die Gesellschaft und die Kultur Dinge in dieses Wort reininterpretieren, die der betroffene Mensch nicht haben möchte, dann suchst du schon das nächste Wort. Und dieser Begriff Flüchtling sagt mittlerweile auch eben, zumindest bei denen die positiv dazu stehen: Ich muss dem geben, ich muss den beschützen. So als wäre' das kein Individuum mehr, das selbst etwas bringen kann. Und bei denen, die negativ dazu stehen, ist das ein problematischer, sehr negativ beladener Begriff." - Ikbal Berber (Politikerin).

"Ich würde in Zukunft gerne Medizin studieren und Arzt werden. Dann würde ich nach Afghanistan gehen und den Menschen helfen. Denn dort gibt es kaum Krankenhäuser. Ich habe schon Angst davor zurückzugehen, aber das verschwindet nach der Zeit. Ich vermisse eben mein Heimatland." - Reza Gholami. "Also mein Familienname, Commerçon, ist ein Name, der von den Hugenotten kommt. Ich bin also eigentlich nur deswegen hier, weil es schon mal eine Zeit gegeben hat, in der Leute nicht mehr dort bleiben konnten oder durften, wo sie vorher waren. Wenn alle jetzt hier rausgehen würden, die nicht ‚gerade' Wurzeln darin haben, dann wäre der Raum hier wahrscheinlich leer." - Ulrich Commerçon (saarländischer Bildungsminister).

 Mohammad Ali Mirzaie

Mohammad Ali Mirzaie

 Julia Pierzina

Julia Pierzina

 Ulrich Commerçon

Ulrich Commerçon

 Ikbal Berber

Ikbal Berber

 Javad Hasanzade

Javad Hasanzade

 Leslie Huppert

Leslie Huppert

"Ich sehe mich jetzt in Sicherheit. Aber wenn ich so oft in den Nachrichten höre, dass Menschen in unserem Land - in Afghanistan - sterben, dann frage ich mich, wie ich hier überhaupt ruhig bleiben kann." - Mohammad Ali Mirzaie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort