Was die 500 Millionen mehr für das Saarland bedeuten

Die Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs beschert dem Saarland ab 2020 zusätzliche Einnahmen von rund 500 Millionen pro Jahr. SZ-Redakteur Daniel Kirch hat zusammengetragen, welche Chancen und Risiken sich aus der Einigung für den defizitären Landeshaushalt ergeben.

 Ein Großteil der zusätzlichen 500 Millionen Euro pro Jahr muss aufgewendet werden, um die Schuldenbremse einzuhalten. Ein anderer Teil fließt in die Schuldentilgung und zusätzliche Investitionen. Foto: Wolf/dpa

Ein Großteil der zusätzlichen 500 Millionen Euro pro Jahr muss aufgewendet werden, um die Schuldenbremse einzuhalten. Ein anderer Teil fließt in die Schuldentilgung und zusätzliche Investitionen. Foto: Wolf/dpa

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Das Saarland bekommt bisher schon jährliche Hilfen von 260 Millionen Euro . Was ändert sich?

Nach bislang geltendem Verfassungsrecht hätte das Land ab 2020 nichts mehr bekommen, die Schuldenbremse wäre nicht zu schaffen gewesen. Ab 2020 erhält das Land nun als Ausgleich für seine Belastungen 400 Millionen Euro pro Jahr, die - im Gegensatz zur bisherigen Hilfe - nicht nur zur Begrenzung der Neuverschuldung eingesetzt werden dürfen. Zusätzlich fließen aus dem "normalen" Finanzausgleich etwa 100 Millionen mehr in den Landeshaushalt als bisher. Macht zusammen also Verbesserungen von rund 500 Millionen Euro .

Wie ist diese Zahl einzuordnen?

Der Landeshaushalt hat ein Volumen von rund vier Milliarden Euro . Das strukturelle Defizit, also das Haushaltsloch ohne Sondereffekte und fremde Hilfen, lag 2010 noch bei 1,25 Milliarden. Dank Einsparungen, sprudelnder Steuereinnahmen und niedriger Zinsen wird dieses Defizit 2017 noch 370 Millionen betragen. Bis 2020 muss es ganz verschwunden sein, denn die Schuldenbremse verbietet ab dann neue Schulden .

Wofür werden die 500 Millionen Euro verwendet? Einen Teil wird man dafür aufwenden müssen, 2020 tatsächlich ohne neue Schulden auszukommen. Denn es gibt im Haushalt eine Lücke, die man durch weitere Einsparungen nicht wird schließen können. Einer groben Schätzung zufolge könnten dafür rund 300 der 500 Millionen Euro nötig sein. Darin sind auch bereits die Risiken abgesichert, die durch steigende Zinsen und Steuerausfälle infolge einer Steuerreform für den Haushalt entstehen könnten. 2020 will das Land zudem mit der Tilgung des Schuldenberges von derzeit mehr als 14 Milliarden Euro beginnen. Nicht zuletzt sollen aus den zusätzlichen 500 Millionen Euro auch Investitionen in sanierungsbedürftige Straßen oder Gebäude bezahlt werden.

Wie soll die Tilgung der Schulden genau ablaufen?

Hier muss abgewartet werden, ob der Stabilitätsrat, der künftig mehr Rechte erhält, den Ländern Vorgaben machen wird. Für 2020 sind im Saarland zunächst 155 der 500 Millionen Euro zur Tilgung vorgesehen. Bei einem Schuldenberg von 14 Milliarden würde es 90 Jahre dauern, um diesen komplett abzutragen. Dies ist aus Sicht des Landes aber gar nicht nötig: Selbst wenn der Schuldenberg gleich bleibt, verringert sich mit steigenden Steuereinnahmen durch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts die Schuldenquote.

Wird das Land ab 2020 wieder mehr in Straßen, Kliniken und Hochschulen investieren können?

Das hat die Landesregierung zugesagt, aber noch keine genaue Summe genannt. Diese wird von den finanziellen Rahmenbedingungen (vor allem den Steuereinnahmen und dem Zinsniveau) und vom Umfang der Tilgung abhängen. Im laufenden Jahr gibt das Land 336 Millionen Euro für Investitionen aus. Für 2020 ist ein Anstieg auf 352 Millionen Euro vorgesehen - dabei ist bereits unterstellt, dass die Zinsen steigen und das Land durch eine mögliche Steuerreform auf Bundesebene weniger einnimmt. Tritt dies nicht ein, stünde entsprechend mehr für Investitionen zur Verfügung. Hier hat das Land einiges aufzuholen. Die IHK Saar hat bei den Investitionen im Vergleich zum Durchschnitt der anderen Bundesländer (einschließlich Kommunen) einen Rückstand von 110 Millionen pro Jahr berechnet.

Was passiert, wenn das Zinsniveau wieder steigt?

Das ist zweifellos ein Risiko, gerade im Saarland. Kein anderes Land finanziert seinen Haushalt zu einem solch hohen Anteil (12 Prozent) über Kredite. Für 2017 sind 418 Millionen Euro an Zinsen vorgesehen. Steigt das Zinsniveau auch nur um einen Prozentpunkt, wären dies rechnerisch zusätzliche Ausgaben von 140 Millionen Euro pro Jahr - die aber nicht schlagartig fällig würden, weil ein Großteil der Kredite langfristig zu niedrigen Zinssätzen gebunden ist. Die Landesregierung hält das Risiko für beherrschbar: Man habe den Finanzplanungen bereits "eine allmähliche Normalisierung des Zinsniveaus" zugrunde gelegt.

Wie geht es jetzt weiter?

Für die Reform muss das Grundgesetz geändert werden. Dies soll unverzüglich angepackt werden. Die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat gilt als sicher.

Bis wann gilt die nun gefundene Lösung mit den zusätzlichen 500 Millionen Euro für das Land?

Im Prinzip uneingeschränkt. Frühestens 2030 können der Bund oder mindestens drei Länder die Neuordnung jedoch kündigen. Wobei die Regeln dann maximal fünf weitere Jahre nachwirken, bis es eine Neuregelung gibt.

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