Was bringt eine Gebietsreform?

Saarbrücken · Landespolitik, Wirtschafts-Professoren und Verbände diskutierten über den Nutzen einer Kreisreform im Saarland.

 Im Zuge der Gebietsreform haben die Stadt- und Kreissparkassen in Hannover fusioniert – dies habe die Effizienz gesteigert, sagt Professor Wolfgang Renzsch. Foto: dpa/Stratenschulte

Im Zuge der Gebietsreform haben die Stadt- und Kreissparkassen in Hannover fusioniert – dies habe die Effizienz gesteigert, sagt Professor Wolfgang Renzsch. Foto: dpa/Stratenschulte

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52 Kommunen, fünf Landkreise und der Regionalverband sowie die Landesverwaltung. Zu viel Verwaltung für nicht einmal eine Million Saarländer findet die "Allianz für Reformen", ein Bündnis aus 16 Unternehmensverbänden. Um das Saarland fit für die Zukunft zu machen, müsse mehr investiert werden, etwa in die Infrastruktur, in ein Messe- und Kongresszentrum und in die Digitalisierung. Gespart werden müsse an anderer Stelle - eine Lösung aus Sicht der Allianz könne es sein, die Landkreise zu einem "Kommunalverband", zusammenzuschließen. Als Vorbild könne die Region Hannover gelten. Dort fusionierte die Landeshauptstadt mit dem Umlandkreis. Darüber diskutierte die Allianz am Mittwoch unter dem Titel "Mit neuen Strukturen die Zukunft gewinnen!" mit Vertretern der Landesregierung sowie den Professoren Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern und Wolfgang Renzsch von der Uni Magdeburg.

"Die Region Hannover hat 1,12 Millionen Einwohner und ist flächenmäßig etwa so groß wie das Saarland", zog Renzsch einen Vergleich. Doch gebe es dort nach Reformen nur noch einen Landkreis, die Landeshauptstadt Hannover habe ihre Rechte als kreisfreie Stadt aufgegeben. "Dadurch, dass man nur noch einen Landkreis hat, kann man die kommunalen Angebote sehr viel effizienter strukturieren", sagte Renzsch. Durch die Fusion der Stadt- mit den Kreissparkassen sei die fünftgrößte Sparkasse Deutschlands entstanden. Auch hätten alle kommunalen Krankenhäuser fusioniert, wodurch Einsparungen durch Kooperationen entstanden seien, etwa durch die Zusammenlegung von Apotheken und Laboren. Für die Berufsschulen sei ein regionsweites Konzept mit Schwerpunktbildungen entstanden, das Einsparungen in Höhe von 1,1 Millionen Euro gebracht habe. Die Gewinner der Reform seien die gestärkten Gemeinden geworden, Widerstand habe es nur vom Landkreistag gegeben, der gegen seine Abschaffung war. "Man kann das Modell Hannover natürlich nicht eins zu eins auf das Saarland überstülpen", räumte er ein, "aber es ist nicht nachvollziehbar, dass man bei einer Million Einwohner drei Verwaltungsebenen hat. Man käme auch mit zwei aus."

Ganz so weit wollte Martin Junkernheinrich nicht gehen. Der Ökonom hatte 2015 ein Gutachten zu den Finanzen der Saar-Kommunen vorgestellt. "Wie viele Einheiten brauchen wir? Ich bin da, was das Saarland angeht, ein Stück weit unentschieden. In dem Moment, indem wir viele kleine Gemeinden haben, spricht einiges dafür, die Gemeinden zu vergrößern, damit sie leistungsfähiger werden. Da würde ich sagen, da müsste man primär ran. Die Größe der Kreise im Saarland ist nicht so symptomatisch klein", sagte er.

Größere Einheiten alleine seien keine Lösung für die finanziellen Probleme der Kommunen, sagte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD): "Man muss auch die Funktionalfrage stellen, also wer etwas erledigen soll, ohne dass Bürgernähe verloren geht." So könne es etwa Kooperationen im "Back Office"-Bereich der Verwaltungen geben, zum Beispiel beim Rechnungsprüfungsamt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Tobias Hans, sprach sich für eine Kommunalreform in der nächsten Legislaturperiode aus. "Ich glaube nicht, dass wir in zehn Jahren im Saarland noch die gleichen Strukturen haben werden." Es gebe im Saarland teilweise Überstrukturierungen, etwa bei der Bauverwaltung. Hier müsse eine einheitliche Bauverwaltung geschaffen werden. "Aber freiwillige Zusammenarbeit ist besser als Zwangsfusionen", sagte er.

Dem Eindruck, durch die Reform ginge Bürgernähe verloren, widersprachen die Professoren. "Mein Eindruck ist, dass nicht der Bürger Angst vor einer Strukturreform hat, sondern eher die Verwaltung", sagte Junkernheinrich. Und Renzsch ergänzte: "Die Bürger identifizieren sich mit ihrem Ort, nicht mit dem Landkreis."

Rehlinger und Hans betonten, das Einsparpotenzial durch eine Gebietsreform sei begrenzt: "Nur durch die Tatsache, dass es nur noch einen Landkreis gibt, gibt es noch keinen einzigen Jugendhilfefall weniger", sagte Rehlinger. Hans verwies auf Studien des Ifo-Instituts, wonach sich Kreisreformen in anderen Bundesländern finanziell nicht gerechnet hätten. Hier hakte Junkernheinrich ein: Das Ifo-Institut habe nach vier Jahren geschaut, wie viel eingespart worden sei, dies sei viel zu früh. "Im öffentlichen Dienst wird kein Personal entlassen, daher können sich die Effekte erst nach einem längeren Zeitraum bemerkbar machen", sagte er.

Um die hoch verschuldeten Kommunen zukunftsfähig zu machen, müsse sich vor allem ihre finanzielle Situation bessern, waren sich alle einig. Junkernheinrich sprach sich für einen kommunalen Entschuldungsfonds aus. "Der Konsolidierungspfad muss weiter gefahren werden, nur so lässt sich kommunale Handlungsfähigkeit zurückgewinnen." Wenn der neue Bund-Länder-Finanzausgleich greife, müsse das Land die Kommunen stärker an den Mitteln beteiligen. "Die Weitergabe von Bundesmitteln an die Kommunen ist dem Land schwer gefallen. Das Land konsolidiert sich ein Stück weit auf Kosten der Kommunen", urteilte er und warnte: "Es muss der saarländische Weg vermieden werden: Man macht eine Reform und merkt nach fünf Jahren, dass man nichts gespart hat."

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