„Was Amazon kann, können wir auch“

Völklingen · Noch mehr als Gebäude prägen Menschen das Gesicht einer Stadt. Zu ihnen zählt Peter Balzert. Seit rund 20 Jahren verkauft er Bücher in der Poststraße. Über 2000 Titel hält er ständig griffbereit. Wobei er viele der Bücher bereits selbst gelesen hat.

 Peter Balzert in seiner Buchhandlung in der Völklinger Poststraße. Foto: Jenal

Peter Balzert in seiner Buchhandlung in der Völklinger Poststraße. Foto: Jenal

Foto: Jenal

Wissen Sie, in welchem Völklinger Geschäft man beim Hinausgehen die freundliche Mahnung "Bitte Vorsicht, Stufe!" hört? Wenn Sie es wissen - Glückwunsch! Denn dann gilt auch für Sie: "Wer Bücher liest, weiß mehr." Gemeint ist natürlich die Völklinger Buchhandlung Balzert in der unteren Poststraße. Vor rund 20 Jahren hat Peter Balzert hier sein Geschäft eröffnet, mit großem Risiko. Denn damals begannen schwere Zeiten für die inhabergeführten Buchhandlungen , viele mussten schließen. Die Kunden wurden zum bequemen Online-Handel und in riesige Medienhäuser mit der Massenware Buch gelockt.

Peter Balzert , verheiratet und Vater von drei Kindern, aber blieb stur, stur auch vertrat er die reine Lehre der klassischen Sortimentsbuchhandlung: keine Zeitschriften, kein Lotto, kein Schnickschnack, dafür aber quer durch alle Bereiche - außer Fachbuch - aktuell bestückt, für Völklinger, die noch in Völklingen kaufen, für Kunden, die wissen, was sie wollen oder nicht wissen, was sie wollen. "Der Anfang war sehr schwer", sagt er, "doch dann bildete sich allmählich eine Stammkundschaft, die mir bis heute treu geblieben ist." Denn Laufkundschaft registriert er kaum. Die vielen Leerstände - wie auch in anderen Städten - laden nicht zum Bummel ein, und die Errichtung des Globus zwischen City und Bahnhof bezeichnet er als "krasse städtebauliche Fehlentscheidung". Aber immerhin: Der 59-Jährige hat inzwischen drei Auszubildende zum Berufsabschluss geführt. Angestellt ist Michèle Duroy, auch sie mit viel Büchererfahrung und Liebe zu diesem Beruf.

Über 2000 Bücher und andere Medien sind ständig vorrätig, die Spanne reicht von den Original-Karl-May-Bänden über die aktuellen Bestseller und Kinderbücher bis hin zu Bildbänden, Taschenbuchreihen und Reiseführern. "Der Online-Handel hat zurzeit beim Umsatz zweistellige Zuwachsraten", sagt Balzert , "aber was Amazon kann, können wir vom stationären Buchhandel auch: nämlich auf 450 000 lieferbare Titel zugreifen und jedes Buch über Nacht ins Haus kommen lassen, und die Preise sind ja sowieso in Deutschland überall gebunden." Außerdem bekommt der Kunde hier fachkundige Beratung, eine freundliche Atmosphäre zum Stöbern und Schmökern, eine Pause mitten in all den Büchern, von denen jedes einzelne das Leben und die Welt widerspiegelt.

Balzert und Duroy wissen, was sie verkaufen, denn beide sind Vielleser, und außerdem erhalten sie zwei Mal jährlich aktuelle Verlagsverzeichnisse, die, gestapelt, rund eineinhalb Meter hoch sind. "Die E-Books spielen noch keine große Rolle, aber Tatsache ist, dass wir weiter kämpfen müssen." Es sind vor allem ältere Kunden, die weiterhin das "leibhaftige" physische Buch lieben und immer wieder ins Geschäft kommen. Dankbar ist er auch der Stadt Völklingen , die ihre einzige inhabergeführte Buchhandlung unterstützt.

Trotz aller Schwierigkeiten hat er seinen Weg in die Selbstständigkeit nie bereut. "Aber wenn ich einmal schließe, wird hier keine Buchhandlung mehr öffnen", sagt er. Bis dahin wird er hoffentlich noch oft "Bitte Vorsicht, Stufe!" sagen können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort