Warum sich mehr Personal nicht immer lohnt

Saarbrücken · Nach Ansicht der Opposition lässt die Landesregierung jedes Jahr Millionen Euro auf der Straße liegen, weil sie Personal in den Finanzämtern abbaut. Das Finanzministerium widerspricht. Ein Betriebsprüfer koste das Land unterm Strich mehr, als er ihm tatsächlich bringt.

 Das Finanzministerium rechnet vor: Wenn zehn Betriebsprüfer fünf Millionen Euro Steuern festsetzen, bleiben davon nur 30 000 Euro fürs Land übrig – die Prüfer kosten aber 700 000 Euro. Foto: Seeger/dpa

Das Finanzministerium rechnet vor: Wenn zehn Betriebsprüfer fünf Millionen Euro Steuern festsetzen, bleiben davon nur 30 000 Euro fürs Land übrig – die Prüfer kosten aber 700 000 Euro. Foto: Seeger/dpa

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Verzichtet die Landesregierung jedes Jahr auf zig Millionen Steuereinnahmen , weil sie die sieben Finanzämter personell nicht ausreichend ausstattet? Nachdem die Deutsche Steuergewerkschaft gestern in der SZ gravierende Missstände im Steuervollzug beklagt hatte, hagelt es nun Vorwürfe von der Opposition. "Der vermeintliche ‚Sparkurs‘, den die CDU-geführten Landesregierungen der letzten Jahre der Finanzverwaltung verordnet haben, war kurzsichtig und kommt das Saarland heute teuer zu stehen", erklärte der finanzpolitische Sprecher der Linken-Landtagsfraktion, Heinz Bierbaum. Ausgerechnet bei den Reichen verzichte der Staat auf Milliarden, während kleine Hartz-IV-Bezieher mit Sanktionen und Kontrollen überschüttet würden. Grünen-Fraktionsvize Klaus Kessler beklagte, den vergleichsweise geringen Einsparungen durch den Abbau von 152 Stellen in der Finanzverwaltung stehe das Risiko gegenüber, viele Millionen Euro an Steuereinnahmen zu verlieren. Bierbaum und Kessler fordern, den Stellenabbau zu stoppen und mehr Steuerfahnder und Betriebsprüfer einzustellen.

Dass dies dem Saarland jedoch zu deutlich mehr Einnahmen verhelfen würde, bestreitet Finanzminister Stephan Toscani (CDU ) seit Jahren vehement. Denn alle Einnahmen der Finanzämter fließen zunächst auf Bundesebene in einen großen Steuertopf, aus dem das Geld dann zwischen dem Bund und den 16 Ländern aufgeteilt wird. Das Finanzministerium bekräftigte gestern, dass wegen dieser Verteilungsregeln ein Betriebsprüfer mehr kostet, als durch von ihm eingenommene Steuern dem Landeshaushalt zufließen. Dies habe aber keine negativen Auswirkungen auf die Ausstattung oder Tätigkeit der Steuerverwaltung.

Toscanis Haushaltsdirektor Wolfgang Förster hatte bereits vor Jahren folgende Rechnung aufgemacht: Zehn zusätzliche Betriebsprüfer kosten das Land pro Jahr 700 000 Euro und setzten statistisch zusammen rund fünf Millionen Euro Umsatzsteuer fest. Das Geld fließt in den bundesweiten Steuertopf. 44,6 Prozent davon - also 2,23 Millionen Euro - stehen nach dem festen Verteilungsschlüssel den Bundesländern zu. Davon wiederum erhält das Saarland, gemessen an seiner mickrigen Größe, ungefähr 30 000 Euro - und das bei 700 000 Euro Personalausgaben für die zehn Prüfer.

Der Magdeburger Föderalismusexperte Professor Wolfgang Renzsch, der vor dem Bundesverfassungsgericht schon einmal als Gutachter für die Saar-Finanzen tätig war, bestätigt das. "Warum soll ich Geld ausgeben, wenn dabei nichts rumkommt? Das ist in der Tat ein Problem", sagte er der SZ. Weil alle Landesregierungen so denken, fühlt sich niemand richtig in der Verantwortung. Die einzige Lösung wäre nach Renzschs Ansicht eine Bundesfinanzverwaltung, doch die wollen die meisten Bundesländer nicht.

Bayern etwa ist in Branchenkreisen dafür bekannt, dass es die Betriebsprüfung besonders lax handhabt - aus Gründen der Wirtschaftsförderung. Denn wo kaum kontrolliert wird, siedeln sich eher Betriebe an. Der Bayerische Oberste Rechnungshof war im Jahr 2013 daher zu "besorgniserregenden Ergebnissen" gekommen: Die Betriebsprüfung werde "besonders stiefmütterlich" behandelt, bayernweit seien in der Betriebsprüfung 442 Stellen nicht besetzt - 20 Prozent. Allein in München fehlten 155 Prüfer.

Im Saarland umfasst die Betriebsprüfung 118,25 Stellen. Nach den bundesweiten Personalstandards müssten es 131,88 sein. Die Steuerfahndung, die in den vergangenen Jahren aufgestockt wurde, hat 29,65 Stellen, müsste aber 35,88 haben.

Am Stellenabbau in den Finanzämtern will die Landesregierung festhalten. Sie hofft auf einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich: Käme dieser wie von den Bundesländern geplant, dann könnten die Länder laut Finanzministerium mehr von dem Geld behalten, das ihre Prüfer und Fahnder eintreiben.

Meinung:

Ein einziger Irrsinn

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Wenn es um Anreize zur Steigerung der eigenen Steuereinnahmen geht, ist der Finanzföderalismus der 16 Bundesländer eine organisierte Verantwortungslosigkeit, mit deutscher Gründlichkeit errichtet. Ein hochverschuldetes Bundesland, das sich finanziell gesehen rational verhält, wenn es lieber nicht zu viele Betriebsprüfer und Steuerfahnder beschäftigt, um Betrug aufzudecken - dieses System ist grotesk. Für die Steuermoral ist das eine Katastrophe. Der saarländische Finanzminister müsste diesen Irrsinn immer wieder aufs Neue benennen. Und auch sagen, wer das Geld , das die fehlenden Steuerfahnder und Betriebsprüfer nicht einnehmen, stattdessen zahlen muss: der Ehrliche, der in diesem Fall leider der Dumme ist.

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