Warum machen Schüler blau?

Saarbrücken · Wer den Unterricht schwänzt, hat nicht immer ein Problem mit den Fächern oder den Lehrern. Auch wegen Stress in der Familie oder Computer-Sucht steigen Jugendliche aus dem Schulbetrieb aus.

 Hinter dem Schwänzen steckt oft nicht nur mangelnde Motivation. Symbolfoto: Karola Warsinsky/Fotolia.de

Hinter dem Schwänzen steckt oft nicht nur mangelnde Motivation. Symbolfoto: Karola Warsinsky/Fotolia.de

"Kein Bock auf Schule", das antworten die meisten notorischen Schulschwänzer , wenn sie gefragt werden, warum sie nicht mehr zum Unterricht erscheinen. Doch dahinter steckt mehr als reine Null-Lust-Stimmung. Das weiß Jutta Kraß, Referentin für Jugendberufshilfe beim Diakonischen Werk. Manchmal sind reine schulische Schwierigkeiten wie die Anforderungen, der Leistungsdruck oder Mobbing Schuld, oft lässt sich die Schulverweigerung aber auch auf Probleme in der Familie oder den schlechten Einfluss von Freunden zurückführen. "In den meisten Fällen handelt es sich um ein Zusammenspiel unglücklicher Umstände. Jeder Fall ist aber ein Einzelfall. Den typischen Schulschwänzer gibt es nicht", sagt Beate Weinmann, die als Case-Managerin von der Beratungsstelle Zweite Chancen die Jugendlichen betreut.

"Wenn die familiäre Struktur wegfällt, beispielsweise bei einer Scheidung der Eltern, befinden sich manche Kinder in einer Krise und können den Schulalltag nicht mehr stemmen", nennt sie ein Beispiel. Aber auch Suchtverhalten ist für ein notorisches Schulschwänzen verantwortlich. Wer die Nächte am PC spielt und morgens nicht aufsteht, verliert in der Schule schnell den roten Faden. Beim Diakonie-Projekt "Zweite Chance bei Schulverweigerung" in Kooperation mit dem Jugendamt gehen vier Sozialarbeiter den vielfältigen Ursachen auf den Grund. Fehlt ein Schüler öfter, hilft meistens der schulpsychologische Dienst vor Ort. Reicht diese Betreuung nicht mehr aus, wird Zweite Chance eingeschaltet. Die Beratung ist freiwillig, doch fast alle gemeldeten Schüler würden sie in Anspruch nehmen, erzählt Referentin Kraß. Auch die Abbruchquote ist sehr gering. Von 136 Jugendlichen, die von September 2011 bis Dezember 2013 betreut wurden, haben gerade mal 13 abgebrochen.

Am Anfang stoßen die Berater aber nicht selten auf Ablehnung seitens der Schulverweigerer. "Wir versuchen sie über andere Themen zu erreichen: einen Beruf, den sie mal später ausüben möchten, Hobbys, die ihnen Spaß machen", sagt Sozialpädagogin Beate Weinmann. Erst dann komme das Thema Schule wieder ins Gespräch und man versuche mit gezielten Angeboten, die Bildungslücken zu schließen. Ist das Problem schulintern wie bei Mobbing , werden in Kooperation mit Lehrern und Schulverwaltung Lösungen zum Beispiel Schlichtungen umgesetzt. Sind problematische Verhältnisse innerhalb der Familie die wichtigste Ursache, springt das Jugendamt ein. "Die Verzahnung aller Akteure - von den Eltern über die Schule, Zweite Chance bis zum Jugendamt - ist das A und O. Genau diese Verzahnung macht das Projekt erfolgreich", sagt Elke Leick, Koordinatorin für Schulsozialarbeit und Schoolworker beim Regionalverband Saarbrücken . Nachdem im Sommer die Zuschüsse vom Bundesfamilienministerium ausgelaufen waren, hat der Regionalverband die Finanzierung von Zweite Chance übernommen. Weil sich diese intensive persönliche Betreuung bewährt hat: Zwischen 70 und 75 Prozent der Schüler gehen jetzt wieder zur Schule. Das Projekt hat sich wieder für bundesweite Zuschüsse beworben, anlässlich des Programms "Jugend stärken im Quartier". Falls dadurch wieder Geld aus Berlin kommt, wird das Angebot für Schulverweigerer ausgebaut.

Wie viele Schüler insgesamt jedes Jahr den Saarbrücker Gemeinschaftsschulen und Gymnasien fernbleiben, lässt sich nicht genau ermitteln. Das saarländische Bildungsministerium erfasst keine Daten zu Schulabwesenheit. "Jede Schule macht ihre eigene Statistik", heißt es.

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