Wahlkampf mit verteilten Rollen

Saarbrücken · Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Innenminister Klaus Bouillon sind grundverschiedene Typen. Das nutzt die Partei im Wahlkampf. Die SPD wirft Kramp-Karrenbauer jedoch vor, „AfD-Parolen“ des Ministers zuzulassen.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Innenminister Klaus Bouillon sind die Zugpferde im Wahlkampf der CDU. Im Auftreten sind sie sehr unterschiedlich. Foto: Becker&Bredel

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Innenminister Klaus Bouillon sind die Zugpferde im Wahlkampf der CDU. Im Auftreten sind sie sehr unterschiedlich. Foto: Becker&Bredel

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Alles schön der Reihe nach, das war der Rat von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) nach dem Terroranschlag von Berlin: "Erst aufklären, dann sachlich diskutieren und erst am Ende, falls erforderlich, Gesetze ändern." Das ging gegen CSU-Chef Horst Seehofer . Aber mancher in der Opposition und in der SPD fand, dass die Mahnung zur Besonnenheit ebenso gut auf Innenminister Klaus Bouillon passte. Denn als die Regierungschefin vor überstürzten Schlussfolgerungen warnte, war Bouillon längst mit Forderungen nach Gesetzesverschärfungen auf dem Markt.

Kramp-Karrenbauer lässt auf den konservativen Innenminister nichts kommen; sie weiß, was sie auch im Landtagswahlkampf an dem populären Ressortchef hat. Auch wenn sie in der Vergangenheit mit Bouillons Aussagen wohl nicht immer glücklich war. Mal keilte der Minister gegen den Koalitionspartner, dann behauptete er auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs, in Lebach überlegten Ladenbesitzer zu schließen, weil so viel geklaut werde. Das musste er später widerrufen, weil es nicht der Wahrheit entsprach. Nach dem Anschlag in Berlin rief er den "Kriegszustand" aus, was er ebenfalls umgehend wieder zurücknahm.

Oder zurücknehmen musste? In der Landespolitik erzählt man sich, Kramp-Karrenbauer habe Bouillon schon öfter zurückgepfiffen. Vielleicht wollte sie verhindern, dass er es übertreibt und seinen Ruf verspielt. Worin Bouillons Wert für die CDU besteht, hatte Kramp-Karrenbauer beiläufig in einem SZ/SR-"Saartalk" erklärt: Bouillon widersetze sich der Tatsache, dass Parteien vieles "nur noch in einer gewissen gleichgeschalteten Sprache" äußerten.

An diesem Punkt, der Sprache, wird Bouillons Unterschied zur Regierungschefin sichtbar. Inhaltlich gibt es keine nennswerten Unterschiede zwischen beiden; Kramp-Karrenbauer ist genauso wie Bouillon für mehr Videoüberwachung, für den Einsatz der Bundeswehr im Innern oder für mehr Abschiebungen. Beide bedienen mit ihrer Sprache jedoch unterschiedliche Zielgruppen: der Innenminister die Konservativen und all jene, die sich klare Ansagen zu Zuwanderung oder Sicherheit wünschen. Kramp-Karrenbauer eckt hingegen kaum an, sie will mit ihrer präsidialen Art auch für Anhänger linker und liberaler Parteien wählbar sein.

Diese Arbeitsteilung innerhalb der CDU bleibt auch der Konkurrenz nicht verborgen. Bouillon benutze "AfD-Parolen" wie "Kriegszustand" und spreche von schweren Waffen bei der Polizei , und CDU-Generalsekretär Roland Theis spiele Kassandra und prophezeie, dass bei Rot-Rot-Grün im Saarland Gewalt wie in der Berliner U-Bahn einziehen würde, empört sich die SPD . Das sei der strategische Ansatz, weil eine starke AfD der CDU Wählerpotenzial wegnehme. Diese Strategie gehe, so die SPD , vielen an der CDU-Basis gegen den Strich. Die sollten dann von der Ministerpräsidentin "mit lammfrommen Sprüchen wieder eingefangen" werden. Kramp-Karrenbauer sage zwar, dass man Populisten nicht nachlaufen solle, sie lasse genau das bei ihren eigenen Leuten aber zu.

Der Grünen-Politiker Klaus Kessler sagt, Bouillon gebe den Hardliner, der oft eine überzogene Härte zeige und verbal übers Ziel hinausschieße. Die Ministerpräsidentin fange ihn dann wieder ein, finde beschwichtigende Worte und warne vor Angst und Panik. Diese Strategie der CDU sei zwar wahlkampftaktisch verständlich, sagte Kessler. "Sie entspricht aber nicht einer christlichen Wertewelt, für die die CDU eigentlich stehen will."

Die CDU sieht das anders, Generalsekretär Theis sieht Kramp-Karrenbauer und Bouillon als "zwei starke Charaktere, die ihren eigenen Stil haben". Das sei kein Wahlkampf , "das ist echt". Einen unterschiedlichen Stil hat auch der Linken-Politiker Oskar Lafontaine festgestellt: "Klaus Boullion ist Mitglied des ‚Vereins für deutliche Aussprache‘. Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Meisterin des Ungefähren und lässt sich immer Hintertürchen offen."

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