Von Lachdusche bis Löwenlachen

Saarbrücken. Karin D. (56) lacht. Sie trippelt zu einer anderen Frau und lacht wieder. Ihre Füße stecken in dicken Overknees-Strümpfen, ihre Schritte sind leise, das Lachen aber laut. Dann läuft die zierliche Frau weiter, schaut einer anderen Frau in die Augen und lacht wieder. Das Lachen ist gespielt, wirkt aufgesetzt. "Ist das ein Quatsch!", sagt sie und prustet plötzlich los

Saarbrücken. Karin D. (56) lacht. Sie trippelt zu einer anderen Frau und lacht wieder. Ihre Füße stecken in dicken Overknees-Strümpfen, ihre Schritte sind leise, das Lachen aber laut. Dann läuft die zierliche Frau weiter, schaut einer anderen Frau in die Augen und lacht wieder. Das Lachen ist gespielt, wirkt aufgesetzt. "Ist das ein Quatsch!", sagt sie und prustet plötzlich los. Jetzt lacht sie herzhaft, schüttelt sich und fällt der anderen lachenden Frau in die Arme.Karin D. und sieben weitere Frauen sind Teilnehmerinnen eines Lachyoga-Seminars, das im Tageszentrum StaPE, dem Saarländischen Tageszentrum Psychiatrie-Erfahrener für selbstbestimmte Alltagsgestaltung in der Mainzer Straße 30, stattfindet.

Die Szene wiederholt sich. Über eine Stunde proben sie verschiedene Lachübungen, springen umher, um sich dann mit einem Lachen zu begegnen. Mal gespielt, mal echt, mal laut und andere Male leise. Dazwischen werden Klatsch-, Dehn- und Atemübungen variiert. Über 50 pantomimische Lachyoga-Übungen gibt es. Etwa acht pantomimische Übungen lernen die Frauen kennen.

Mal gibt es eine "Lachdusche" bei der die Frauen erst in ihre Handflächen hineinlachen, um dann das "aufgefangene" Lachen über dem Kopf des Gegenübers auszuschütten. Dann ein "Löwenlachen" bei dem die Zunge heraushängt, das Lachen gebrüllt wird und die Hände Krallen formen. Oder ein verhaltenes "Japanisches Lachen", stumm, aber mit intensivem Augenkontakt.

Karins Wangen glühen. "Ich schwitze", sagt sie und muss schon wieder lachen. Immer wieder wird geklatscht und dabei "Hoo-hoo-ha-ha-ha!" gerufen. Eine Frau guckt aus dem Fenster und sagt: "Wenn uns jetzt jemand sieht, denkt er, wir sind verrückt."

"Lass' sie denken", entgegnet Seminarleiterin Stephanie Schuhmacher. Seit fünf Jahren gibt sie Lachyoga-Seminare. Ein Sozialarbeiter vom Trägerverein Hilfe zur Selbsthilfe in seelischen Krisen Saarland e.V.(HSsK) lud Schuhmacher ein, Lachyoga vorzustellen. Ihr ehrenamtliches Engagement ist ein voller Erfolg. Die Teilnehmerinnen fühlen sich nach der Stunde "gelöster, befreiter und leichter".

Die anfängliche Scheu ist in Wohlbefinden umgeschlagen. Das Atmen ist tiefer, die Körperhaltung gestreckter. Schuhmacher wundert das nicht. "Lachen", erklärt sie, "hat viele positive Auswirkungen auf Körper und Seele. Körpereigene Morphine werden gebildet und dadurch Glückshormone freigesetzt."

Immunsystem gestärkt

Der Körper unterscheidet dabei nicht, ob es sich um ein echtes oder ein künstliches Lachen handelt. Durch intensives Lachen werden "das Immunsystem gestärkt, Stresshormone abgebaut, die Gesichtshaut durchblutet, der Blutdruck gesenkt, die Verdauung angeregt", führt sie auf und setzt die positive Liste fort. Wissenschaftliche Studien belegen die heilende Wirkung von Lachen, so Schuhmacher. "Lachyoga ist simpel, man braucht keine Ausrüstung, muss nicht sportlich sein."

Der indische Arzt Madan Kataria entwickelte 1995 das Lachyoga, indem er dem klassischen Yoga "viele lustige Elemente" beifügte. Die körperlich präzisen Übungen des Yogas sind dabei nebensächlich. Lachen und das kindliche Albernsein stehen im Mittelpunkt. "Mittlerweile gibt es Lachyoga in über 60 Ländern der Welt. Über 6000 Lachclubs gibt es weltweit."

Nach über einer Stunde verteilt die Lachyoga-Lehrerin an die Teilnehmerinnen ein "Lach-Zertifikat". Karin D. freut sich. Unter dem knallgelben Smily steht: "Karin kann lachen - ho ho hahahah". "Ja, wieder", sagt sie. Vor zwei Jahren kam sie zum ersten Mal zu dem Verein HSsK in die Mainzer Straße.

Der Verein bietet Menschen in seelischen Krisen eine Anlaufstelle. Etwa hundert Menschen nutzen das Angebot. Jeden Tag sind es mehr als 25 Menschen, die sich hier treffen. "Ich war ständig unter Druck. Dreifach: Beruf, Haushalt und eine pflegebedürftige Mutter. Irgendwann war's zu viel. Körper und Seele rebellierten", erinnert sich Karin D. Ihre Krankheit beschreibt sie als "Gewitter im Gehirn, einen psychotischen Schub, der meine Sinne durcheinanderbrachte". Am Ende sind sich alle einig: "Wir wollen unbedingt weitermachen. Lachen tut gut." Im neuen Jahr wird es weitere Termine geben.

hssk-ev.de.

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