Von integrieren bis improvisieren

Saarbrücken · Heiner Franz hat schon seit Jahren zuhause eine Oud, eine arabische Laute. Die kann er jetzt endlich nutzen. Gemeinsam mit weiteren Musikern sollte er syrische Musiker inspirieren – und wird nun selbst inspiriert.

 Seinen ersten Auftritt hat das Musikerensemble aus Deutschen und Syrern schon hinter sich. Foto: Kerstin Krämer

Seinen ersten Auftritt hat das Musikerensemble aus Deutschen und Syrern schon hinter sich. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Erstens kommt es anders. Und zweitens, als man denkt. Diese Erfahrung machte auch Kontrabassist Rudolf Schaaf. "Ich wurde gefragt, ein Projekt zu coachen für syrische Musiker , die vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land geflohen sind und hier Fuß fassen wollen", erzählt der aus Köln stammende Wahl-Saarbrücker. "Aber mittlerweile merke ich, dass es eigentlich umgekehrt ist und ich eine Menge von ihnen lernen kann."

Musikerkollege Heiner Franz kann das nur bestätigen: Der renommierte Gitarrist wurde wegen Unterricht angefragt, sponserte Instrumente und spielt nun mit. Beide Jazzer engagieren sich ehrenamtlich, Schaaf erhält lediglich eine kleine Aufwandspauschale. Geprobt wird im "RAUMfürMUSIK" in der Mainzer Straße, den die Musikpädagogin Dorothée Dunsbach kostenlos zur Verfügung stellt.

Übersetzerin Basma Kaldi ist jedes Mal dabei, weil nicht alle Syrer Englisch sprechen und nur wenige Deutsch: Keiner von ihnen ist länger als ein Jahr hier. Die rund zehn Mitglieder starke Gruppe, in der neben Amateuren auch Profimusiker mitwirken, ist ein Projekt des neu gegründeten Vereins "Sirag Sori", was übersetzt "Syrische Laterne" bedeutet. Sirag Sori gehört zum ehrenamtlichen Flüchtlings-Netzwerk "Ankommen", das 2014 von der LAG pro Ehrenamt in Zusammenarbeit mit dem Zuwanderungs- und Integrationsbüro der Landeshauptstadt aufgebaut wurde. Ursprünglich sollte Schaaf für das Ensemble Stücke komponieren, die im Spannungsfeld zwischen Jazz und orientalischer Musik arrangiert werden sollten. Stattdessen haben die Syrer Folklore-Standards ihrer Heimat mitgebracht, und die beiden Deutschen versuchen nun, sich mit ihren Instrumenten zu integrieren - ein für beide Seiten reizvoller Prozess, wie alle Beteiligten versichern. Schaaf: "Ich lerne sehr viel über eine andere Art zu musizieren, was Rhythmen, Melodieführung und Tonleitern mit gewöhnungsbedürftigen Vierteltönen betrifft."

Heiner Franz dagegen hat sich vor Jahren schon eine arabische Laute (Oud) zugelegt und hat nun Gelegenheit, seine Kenntnisse zu vertiefen, auch wenn er bei den Proben zur Gitarre greift. In jedem Fall betrachten die Jazzer das Projekt als Gewinn: "Ich habe hier ein selten erlebtes Gefühl von Miteinander", freut sich Schaaf. Die Syrer wiederum profitieren vom Einblick in die westliche Musik und stimmen mit Heiner Franz überein, dass Musik Kommunikation ist. "Musik bedeutet für mich Sprache der Welt", sagt etwa der Violinist und Ensembleleiter Gazwan Zahra. Er begreift das Projekt als Beitrag zur Völkerverständigung, bei dem man sich auch ohne Worte mitteilen kann.

Offenbar erfolgreich: Der erste öffentliche Auftritt der Gruppe beim Begegnungsfest des Netzwerks Ankommen am 21. Mai wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Dennoch blicken alle mit Sorge in die Zukunft, denn das Projekt ist vorerst befristet bis Ende Juni. Nur wenn die Finanzierung über das Netzwerk gesichert ist, kann das Ensemble weitermusizieren.

ankommen-saarland.de

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