Von großen Künstlern, Gott und einem guten Vorsatz

Saarbrücken · Bequemlichkeit verführt zum Denken. Wäre ich zum Beispiel gestern zu Fuß die Treppe zur SZ-Redaktion raufgegangen, hätte ich vermutlich keinen Gedanken daran verschwendet, wie viele Künstlerinnen und Künstler um mich herum dafür sorgen, dass es mir gut geht.

 Staatstheater-Tänzerin Youn Hui Jeon. Foto: Regina Brocke

Staatstheater-Tänzerin Youn Hui Jeon. Foto: Regina Brocke

Foto: Regina Brocke

Weil ich aber zu bequem war, lieber den Aufzug genommen habe und auf eben den etwas warten musste, fiel mein Blick auf die Papiertüte in meiner Hand. Drin war ein Kaffeestückchen, drauf stand: "Backen ist Kunst".

Aus dem rein körperlichen Innehalten (weil der Fahrstuhl mal wieder eine Ewigkeit brauchte) wurde ein Gedanke: Kunst kann man essen. Und ohne die vielen kulinarischen Künstler in unserer Stadt, wäre Saarbrücken nicht Saarbrücken. Der Butterkuchen aus dem Café Lollo, die Kirschkrapfen vom Bäcker Heil, die Puddingschnecken der Bäckerei Conrad, die Marmeladen aus Andrea Dumonts Fruchteria, die Spaghetti in der Kleinen Tonhalle, die Burger im Down Under und im Old Murphy's, die Kuchen in der Baker Street und im Monroe, die belgischen Fritten im Tempelier - meine Liste der kulinarischen Kunstwerke ist natürlich viel länger. Und jeder von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, könnte sicher jede Menge dazu beitragen, diese Liste ewig lang werden zu lassen.

Und diejenigen, die gläubig sind, erahnen zumindest auch, was die katholische Nonne Teresa von Ávila vor knapp 500 Jahren gemeint haben könnte, als sie feststellte, dass man Gott auch zwischen den Kochtöpfen findet.

Apropos Gott und Kunst. Als ich dann gestern meinen Schreibtisch endlich erreicht hatte gab es Post von der bischöflichen Pressestelle. Die teilte mit, dass für den Saarbrücker Jugendkreuzweg in der Woche vor Ostern noch junge Leute gesucht werden, die sich auf die Kunst des Tanzes einlassen wollen. Der "Kreuzweg der Jugend" hat eine lange Tradition und wird in diesem Jahr vom katholischen Dekanat Saarbrücken und dem evangelischen Kirchenkreis Saar-West organisiert.

Den Leidensweg Jesu tanzen? Das klingt spannend. Zumal Youn Hui Jeon, die im Ballett des Staatstheaters tanzt, die vier geplanten Szenen zusammen mit den jungen Leuten entwickeln will. Wer Lust hat, sich darauf einzulassen, sollte sich bei Heiner Buchen, Telefon (06 81) 70 06 18 melden.

Als ich gestern aus dem Aufzug gestiegen bin, habe ich - was mir an sich gar nicht so liegt - einen guten Vorsatz gefasst: Nein, ich will keinen Kreuzweg tanzen. Ich habe mir vorgenommen, den kulinarischen Künstlerinnen und Künstlern des Alltags mehr Respekt zu zollen - und ihre Kunstwerke nicht wie viel zu oft gedankenlos zu verspeisen.

Sie wollen dem Autor dieser Kolumne die Meinung sagen, dann schreiben sie eine E-Mail an m.rolshausen@sz-sb.de

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