„Von fehlendem Geld kann nicht die Rede sein“

Der Chef des Bergbaukonzerns RAG, Bernd Tönjes, hat den Vorwurf zurückgewiesen, dass mit der geplanten Grubenflutung im Saarland nur Geld gespart werden soll. Zudem habe der Schutz von Mensch und Umwelt Vorrang. Um dies sicherzustellen, gebe es „penible Kontrollen“, sagte Tönjes im Gespräch mit SZ-Redakteur Johannes Schleuning.

 Am Standort der ehemaligen Grube Reden wird mit Grubenwasser ein Wassergarten betrieben. Das 32 Grad warme Wasser wird abgekühlt und schließlich in den Klinkenbach eingeleitet. Foto: Becker&bredel

Am Standort der ehemaligen Grube Reden wird mit Grubenwasser ein Wassergarten betrieben. Das 32 Grad warme Wasser wird abgekühlt und schließlich in den Klinkenbach eingeleitet. Foto: Becker&bredel

Foto: Becker&bredel

Herr Tönjes, Sie haben wiederholt betont, dass der Schutz des Trinkwassers bei der geplanten Grubenflutung im Saarland oberste Priorität hat. Wie genau will die RAG diesen Schutz sicherstellen?

Tönjes: In der ersten Phase des geplanten Grubenwasseranstiegs bleibt das Grubenwasser soweit unterhalb der Trinkwasser führenden Schichten, dass ein Kontakt schon rein physikalisch unmöglich ist. Für die zweite Phase gehen wir nach bisherigen Kenntnissen davon aus, dass es auf Grund der geologischen Situation ebenfalls zu keinem Kontakt kommen kann. Beide Annahmen werden selbstverständlich von unabhängigen Gutachtern vorab überprüft. Zur Zeit geht es um das Genehmigungsverfahren für die erste Phase. Erst wenn dies positiv beschieden und rechtskräftig ist, kann sie umgesetzt werden. Danach erfolgt dann der Antrag auf Genehmigung der zweiten Phase mit entsprechendem zweitem Genehmigungsverfahren.

Sie haben einmal gesagt, dass sich nicht seriös beantworten lässt, welche Mengen von hochgiftigem PCB im Saarland noch unter Tage lagern. Viele Bürger fragen sich nun: Wie will die RAG eine Umweltgefährdung wie etwa die Verunreinigung des Trinkwassers ausschließen, wenn die Verantwortlichen noch nicht einmal wissen, wie viel Giftstoff da unten schlummert?

Tönjes: Zunächst einmal: Der Gebrauch PCB-haltiger Hydraulikflüssigkeiten war uns aus Gründen des Brandschutzes behördlich auferlegt. Als es Erkenntnisse über die gesundheitsschädliche Wirkung von PCB gab, haben wir sofort reagiert und PCB-haltige Flüssigkeiten durch andere ersetzt. Es ist seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt, dass nur ein geringer Teil der PCB-haltigen Flüssigkeiten entsorgt wurde und es diffuse Austräge etwa durch Leckagen gegeben hat. Darüber wurde auch die Öffentlichkeit zum Beispiel durch Berichte an den Deutschen Bundestag informiert. Aber quantitative Angaben sind über 30 und bis zu 50 Jahre später nicht mehr seriös möglich. Wenn es heute zum Austrag von PCB aus dem Steinkohlenbergbau kommt, dann geschieht das über das Grubenwasser, und auch deshalb wird unser Grubenwasser regelmäßig geprüft. Wir halten alle wasserrechtlichen Vorgaben klar ein. In der Saar stammt weniger als ein Prozent der PCB-Fracht aus dem Bergbau, das heißt über 99 Prozent stammen aus anderen Quellen. PCB hängt sich an Schwebstoffe und nicht an Wasser. Wir wissen aus Erfahrung: Es bleiben umso mehr Schwebstoffe und damit PCB unten, je höher das Wasser steigt. Selbstverständlich wird das weiter penibel kontrolliert.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Blick auf eine ähnliche Problematik eine Studie in Auftrag gegeben, die unter anderem klären soll, ob man PCB aus dem Grubenwasser herausfiltern kann. Sollte die Studie hier zu einem positivem Ergebnis kommen: Würde die RAG ein entsprechendes Verfahren im Saarland anwenden, bevor das Grubenwasser in die Saar geleitet wird?

Tönjes: Nordrhein-Westfalen hat ein Gutachten und eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Gutachten soll Aussagen darüber treffen, ob und wenn ja welche Gefahren von PCB und anderen Stoffen unter Tage ausgehen können. Mit der Machbarkeitsstudie werden die Behandlungsmöglichkeiten von Grubenwasser geprüft. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Wenn Gutachten und Machbarkeitsstudie fertig sind, werden wir uns beide natürlich sehr genau ansehen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen kann.

Unter Tage lagern noch andere Giftstoffe wie etwa Asbestzement. Sind auch die kein Anlass zur Sorge?

Tönjes: Sämtliche Proben des Grubenwassers, das wir im Saarland in Gewässer einleiten, enthalten keinerlei Hinweise auf irgendwelche Gefahren durch Giftstoffe . Und die Kontrollen gehen ja weiter. Außerdem sind eingesetzte und verbrachte Stoffe Gegenstand des Genehmigungsverfahrens.

Das stillgelegte Westfeld im nordrhein-westfälischen Ibbenbüren haben Sie im Grubenwasser-Untersuchungsausschuss des Saarländischen Landtags als Vorbild für die Grubenflutung im Saarland genannt. Welche Erfahrungen hat die RAG dort gemacht und inwiefern lassen sich die dortigen Bedingungen mit den hiesigen vergleichen?

Tönjes: Die Situation ist insofern mit unseren Plänen an der Saar vergleichbar, als das Grubenwasser im Ibbenbürener Stilllegungsbereich ohne Pumpen ansteigt und in ein Gewässer läuft.

Im stillgelegten Bergwerk Warndt im Saarland ist das Grubenwasser bereits nahezu bis zur Erdoberfläche angestiegen. Die RAG hat das bislang als "reibungslos" beschrieben. Mehrere Bürger berichten allerdings über teils massive Vernässungen an der Erdoberfläche . . .

Tönjes: Dieser Grubenwasseranstieg korrespondiert mit dem sehr gleichmäßigen Grubenwasseranstieg in der gesamten Warndtregion, der auf die geordnete Stilllegung des lothringischen Bergbaus auf der französischen Seite gemeinsam mit dem Bergwerk Warndt zurückzuführen ist. Der Wasseranstieg in der Region ist bislang reibungslos verlaufen und zeigt für den Bereich Warndt (im Schacht Velsen an der Rossel) einen Grubenwasserspiegelstand, der noch rund 100 Meter unter der Erdoberfläche liegt. Dieser Abstand von rund 100 Metern ist viel zu groß, um über Tage zu Vernässungen zu führen. Die bereits seit Jahren im Warndt angezeigten Vernässungen resultieren aus lokalen, oberflächen-geologisch bedingten, abflusslosen beziehungsweise abflussgehemmten Geländemulden, die nach entsprechenden Niederschlagsereignissen sich mehr oder weniger vernässt zeigen. Nach Perioden längerer, verdunstungsintensiver Zeiten fallen sie wieder trocken. Das ist also ein anderer Vorgang als der Anstieg des Grubenwassers.

Die RAG zahlt das Abpumpen des Grubenwassers bis zum Jahr 2018, danach kommt laut Erblastenvertrag die RAG-Stiftung auf. Es heißt, dass wegen der niedrigen Zinsen das Stiftungskapital derzeit wenig Ertrag abwirft und entsprechend absehbar fehlendes Geld nun das Hauptmotiv der RAG sei, die Pumpen saarlandweit abzustellen und die Gruben zu fluten. Stimmt das?

Tönjes: Erstens: Die RAG-Stiftung verfügt über eine 68-Prozent-Beteiligung am sehr soliden Konzern Evonik und macht eine nachweislich sehr gute Anlagepolitik, indem sie zum Beispiel auch in prosperierende Mittelständler und in Immobilien investiert, die gute Gewinne abwerfen. Aus ihren Beteiligungen erzielt sie regelmäßig Überschüsse, die deutlich höher sind als die künftigen Aufwendungen für die Ewigkeitsaufgaben. Das lässt sich auch in den Geschäftsberichten der Stiftung nachlesen. Von absehbar fehlendem Geld kann also überhaupt nicht die Rede sein. Zweitens: Es gibt vertragliche Verpflichtungen, in denen ist geregelt, dass für die sogenannten Ewigkeitslasten, dazu gehört auch das Heben von Grubenwasser, ab 2019 die RAG-Stiftung finanziell aufkommt. Könnte sie das nicht, träten das Saarland und Nordrhein-Westfalen dafür ein. In jedem Fall, egal wer für den Aufwand finanziell aufkommt, gilt: Vorrang hat der Schutz der Menschen und der Umwelt. Drittens: Unser Grubenwasserkonzept erfüllt einen klaren Auftrag aus den mit dem Kohlekompromiss abgeschlossenen Verträgen zwischen öffentlicher Hand, Stiftung und Unternehmen. Wir sind vertraglich klar aufgefordert, ein Optimierungskonzept für das Grubenwasser vorzulegen, und dieser Aufforderung kommen wir natürlich nach. Mit unserem Konzept für das Saarland werden schon in der ersten Phase rund 70 Kilometer Fließgewässer von Grubenwasser frei gezogen. PCB und andere Stoffe bleiben unten und belasten die Umwelt nicht, und zusätzlich verringern wir den Ausstoß von CO2.

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