Vom Monster entführt

Saarbrücken · Der trashige Monsterfilm „Pulgasari“ hat eine bizarre Entstehungsgeschichte. Davon inspiriert haben zwei junge Künstlerinnen einen Theaterabend entwickelt. Premiere ist am 26. September.

 Der „geliebte Führer“ Kim Jong-Il ist immer dabei: Amelie Hensel (links) und Anna Kautenburger inszenieren „Pjoengjang Godzilla. Gartenhaus des Grauens“. Foto: Oliver Dietze

Der „geliebte Führer“ Kim Jong-Il ist immer dabei: Amelie Hensel (links) und Anna Kautenburger inszenieren „Pjoengjang Godzilla. Gartenhaus des Grauens“. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze
 Ein Monster, aus Reis und Blut geboren: Pulgasari. Foto: Sang-Ok

Ein Monster, aus Reis und Blut geboren: Pulgasari. Foto: Sang-Ok

Foto: Sang-Ok

. Die Geschichte ist so verrückt, dass man eigentlich nicht glauben möchte, dass sie tatsächlich so passiert ist. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il ließ 1978 den südkoreanischen Regisseur Shin Sang-Ok und seine Frau, die Schauspielerin Choi Eun-Hee, entführen, damit die ihm unter anderem einen großen nordkoreanischen Monster-Film drehen sollten. Denn Kim Jong-Il hatte seinem unterdrückten, hungernden Volk zwar jegliche westliche Kultur verboten, er selbst aber hortete eine riesige Videothek mit amerikanischen und japanischen Spielfilmen. Besonders liebte der "geliebte Führer" die Rocky-Filme und Godzilla. So entstand im bettelarmen Nordkorea der aufwändige Film "Pulgasari" über ein aus Reis und Blut geborenes, klassenkämpferisches Monster. Eine ausgesprochen trashige Angelegenheit.

Diese Geschichte ist, so unglaublich sie auch klingt, wirklich wahr. Und über 30 Jahre später arbeiten nun in der Sparte 4 des Saarländischen Staatstheaters zwei junge Frauen daran, sie auf die Bühne zu bringen: die Bühnenbildnerin Amelie Hensel und die Bildende Künstlerin Anna Kautenburger. "Pjoengjang Godzilla. Gartenhaus des Grauens" heißt ihr Stück - und am Freitag, 26. September, ist Premiere.

Amelie Hensel hat auf der kleinen Bühne der Sparte 4 eine kunstvoll kitschige Kulissen-Welt gebaut - mit einer Pagode, die aus dem Ikea-Katalog sein könnte, mit Kunst-Lianen und blühenden Begonien (weil Kim Jong-Il auch eine Blume nach sich benennen ließ, die Kimjongilia-Begonie). Als prallrunde "Sonne" erscheint immer wieder der künstlich strahlende Kopf des Diktators und greift ins Geschehen ein. Auch mit Originalzitaten. "Kim Jong-Il hat selbst ein Buch über Kino geschrieben", erzählt Anna Kautenburger - "und wir nutzen die Phrasen daraus".

Wie kommt man auf die Idee zu solch einem Stück? "Ich habe die Geschichte im Internet gefunden", sagt Anna Kautenburger. Die beiden Künstlerinnen hatten sich sieben Jahre zuvor bei der Staatstheater-Produktion "Das Produkt" kennengelernt, "und wir wollten immer was gemeinsam machen". Mit "Pjoengjang Godzilla" fanden sie den idealen Stoff. Gemeinsam haben sie das Theaterstück geschrieben, Film-Sequenzen - auch aus "Pulgasari" natürlich - und Musik ausgewählt, dramaturgisch unterstützt von Holger Schröder. Dem bekennenden Horrorfilm-Fan verdankt der Pjoengjang Godzilla auch seinen schönen Untertitel "Gartenhaus des Grauens".

Wie nah an der Wirklichkeit sie mit ihrem Theaterstück sein werden, wissen sie alle nicht. "Im Internet kursieren viele verschiedene Varianten der Geschichte", sagt Anna Kautenburger. Verlässliche Informationen bekommt man aus dem hermetisch abgeschotteten Nord-Korea ja nicht. So haben sie sich die künstlerische Freiheit genommen, ihre eigene Version zu spielen.

Im Zentrum steht natürlich die Frage, "wie man auf Knopfdruck kreativ sein kann" (Hensel). Wie man quasi mit vorgehaltener Waffe schöne Bilder schaffen kann. Acht Jahre war das südkoreanische Künstler-Paar in Nordkorea gefangen - in einem Lager, das zynisch "Zentrum zur Erholung durch Arbeit" hieß. Erst dann gelang die Flucht. "Uns interessiert aber auch die Ehe-Tragödie", sagt Anna Kautenburger. Denn Regisseur Shin Sang-Ok und die Schauspielerin Choi Eun-Hee waren zum Zeitpunkt der Entführung längst geschieden und wurden von Kim Jong-Il gezwungen, erneut zu heiraten. "Die beiden blieben auch nach ihrer Flucht verheiratet". Die Frage, die sich Hensel und Kautenburger nun auf der Bühne unter anderem stellen, ist, wie sich eine Beziehung unter solchem Druck verändert.

Anna Kautenburger wird dabei gemeinsam mit dem Schauspieler Florian Steiner auf der Bühne stehen. Zum ersten Mal als Schauspielerin. "Für mich ist es immer interessant, an meine Grenzen zu gehen", sagt sie. "Das gilt auch für mich", sagt Amelie Hensel. Für sie ist es die erst Regie-Arbeit. Passend zum Stück haben sie ihrem Duo übrigens einen Namen gegeben: Paper marriage - Scheinhochzeit.

Premiere am Freitag, 26. September, 20 Uhr. Karten: (06 81) 30 92-486.

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