Vom Gotteshaus zum Mehrgenerationentreff

Saarbrücken · Gotteshäuser sind zu groß für ihre Gemeinde oder stehen oft leer: Technik- und Architekturstudenten haben Modell-Lösungen entwickelt. In der Kirche St. Michael sind ihre Entwürfe ausgestellt.

Immer mehr Kirchengemeinden stehen heutzutage vor diesem Problem: Die Zahl ihrer Gemeindemitglieder schrumpft, ihr Kirchengebäude ist viel zu groß. Auch in St. Michael kann man ein Lied davon singen. Die Pfarrkirche der Pfarrgemeinschaft St. Johann war bisher nur noch zu den Gottesdiensten am Sonntag zugänglich. Seit Anfang Mai halten ehrenamtliche Helfer das nach Plänen von Hans Herkommer im expressionistischen Stil erbaute architektonische Schmuckstück am Rotenberg probeweise auch mittwochs und samstags von 15 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet.

"Offen St. Michael!" nennt sich das Projekt, zu dem auch gehört, dass man sich Kooperationspartner von außen für gemeinsame Veranstaltungen sucht. Zusammen mit der Schule für Architektur der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Saar präsentiert die Gemeinde in St. Michael so seit Dienstag eine Ausstellung über "Nachfolgenutzungen von Kirchen". Gezeigt werden kleine Modelle und Entwürfe auf großformatigen Wandplakaten, die knapp ein Dutzend Masterstudenten für verschiedene Kirchen im Regionalverband, aber auch in Metz entwickelt haben.

Gleich mehrere Studentinnen befassten sich mit der seit 2009 wegen ihres sanierungsbedürftigen Dachs geschlossenen neogotischen Christuskirche Dudweiler. Durch Einbauten entweder in den Seitenflügeln oder dem Hauptschiff wollen sie neben der sakralen weitere Nutzungen integrieren, ohne den Gesamtraumeindruck zu zerstören. Santina Di Vincenzo schlägt wegen der Nähe der Kirche zu einer Kita und Grundschule einen Mehrgenerationentreff vor. Ein Gemeindezentrum mit Bibliothek, Gemeindebüros und Gruppenräumen in zwei viergeschossigen Türmen schwebt Tasja Schudde vor, dazu ein Café anstelle der früheren Empore. Zu einem Begegnungszentrum will man auch die um 1900 von Heinrich Güth erbaute Pfarrkirche Holz umwandeln.

Modellprojekt gibt Impulse

Solche sanften Teilumnutzungen entsprechen auch den Empfehlungen von Jörg Beste, der zur Vernissage einen Impulsvortrag hielt. Der gelernte Theologe und Architekt hat in Nordrhein-Westfalen ein Modellprojekt des Landes geleitet, bei dem Machbarkeitsstudien zur Nachfolgenutzung für 20 Kirchen erstellt und ausgewertet wurden. Wenn der Erhalt als reiner Sakralraum nicht in Frage komme, sei die Teilnutzung etwa als Gemeindezentrum für alle Beteiligten die zweitbeste Lösung, erst danach sollte man die Nutzung als soziale oder kulturelle Einrichtung ins Auge fassen. Auch dafür entschieden sich einige Studierende. So wird etwa aus der Evangelischen Auferstehungskirche Geislautern eine Grabeskirche mit Urnenwänden, aus der evangelischen Kirche Göttelborn wahlweise ein Bildhaueratelier, ein kleiner Konzertsaal oder ein Jugendzentrum. Besonders reizvoll auch diese Idee: Aus der bisher als Abstellraum genutzten Stummkirche auf dem Halberg will eine Studentin einen Museumsraum samt zugehörigem Pfad für die Industriekultur-Geschichte des Halbergs machen.

Ausstellung bis 2. Juli. Geöffnet: mittwochs und samstags, 15 bis 18 Uhr und zu den Gottesdiensten. Zur Finnissage ist eine Podiumsdiskussion geplant.

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