Visionen für das Wohnen im Alter

Saarbrücken · So lange wie möglich im eigenen Zuhause leben, wünschen sich die meisten. Die Technik, die dies ermöglicht, gibt es. Doch Unternehmen, Verbände und Kommunen sind kaum vernetzt. Das will ein neues Netzwerk ändern.

Automatisch gehen auf dem Weg zum Bad nachts die Lichter an. Sensoren am Lattenrost haben erkannt, dass der alte Mann das Bett verlassen hat. Wenn er trotzdem fällt, muss er den Weg zum Telefon nicht im Dunkeln finden. Seinen Haustürschlüssel hat der Senior gegen einen Chip getauscht, der sich als Armband tragen lässt. Das Feindbild zittriger Hände gibt es somit nicht mehr. Öffnet der Rentner seine Wohnungstür und der Kühlschrank steht offen, ertönt ein Warnton. Ein Lichtsignal zeigt an, wo das Problem liegt.

"Ambient Assisted Living" - kurz AAL - nennen sich solche Technologien (frei übersetzt etwa Hilfen für altersgerechtes Wohnen), die in den letzten Jahren entwickelt wurden, insbesondere um älteren Menschen so lange wie möglich das Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen.

"Bisher dominiert in dem Bereich jedoch zu sehr die Technik und nicht die Frage, welche Bedarfe die Anwender haben", sagt Wolfgang Langguth, Professor für Ingenieurwissenschaften an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Zudem fehle ein umfassender Ansatz, der alle Akteure zusammenbringe. Auf seine Initiative hin wollen sich Unternehmen, Verbände aus den Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereichen, Vertreter von Handwerk, Hochschulen, Krankenhäusern und Krankenkassen sowie der Kommunen und Landkreise zu dem AAL-Netzwerk Saar zusammenschließen. Zur Gründungsveranstaltung am Mittwoch, 28. Mai, haben sich bisher 250 Vertreter angekündigt, darunter auch die Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Elke Ferner (SPD). Unterstützt wird die Initiative von den Saar-Ministerien für Gesundheit und Finanzen. "Wir wollen neue Wege finden, in diesem Bereich dem demografischen Wandel zu begegnen", sagt Langguth. Neben der Frage, wie ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden mit der smarten Haustechnik möglich ist, soll auch diskutiert werden, wie diese die Sozial- und Gesundheitssysteme entlasten kann. Die Akteure wollen Konzepte zur Zusammenarbeit erstellen, die schrittweise umgesetzt werden sollen. Das Saarland mit seinem großen Anteil an hochbetagten Bewohnern könne hier eine Modellregion für Deutschland werden, ist Wolfgang Langguth überzeugt.

"Die große Frage ist natürlich: Wer bezahlt das alles?", betont der Wissenschaftler. Bisher müsse die Technik von den Anwendern selbst finanziert werden. "Aber AAL kann auch ein Geschäftsmodell sein. Am Netzwerk beteiligte Unternehmen sehen hier einen riesigen Zukunftsmarkt. Und wenn der Markt groß ist, werden die Produkte billiger", ist Langguth überzeugt.

Er hofft, dass in naher Zukunft die Kranken- und Pflegekassen sich an den Kosten für die AAL-Technologie beteiligen. "Das kann doch für die Kassen, die im Wettbewerb miteinander stehen, ein Attraktivitätsmerkmal sein." Zudem komme die Umrüstung von Wohnungen die Kassen günstiger als ein Heimplatz. Aber auch Pflegekräfte könnten von der intelligenten Haustechnik profitieren. "Durch Spracherkennung kann etwa die zeitaufwendige Pflegedokumentation rationalisiert werden", sagt der Wissenschaftler. In Saarbrücken will das Netzwerk eine Vierzimmerwohnung mit AAL-Technik einrichten. Interessierte können sich diese dann anschauen und auch mal ein Wochenende probewohnen. Niemand müsse sich Sorgen machen, die Technik nicht bedienen zu können. "Es ist umgekehrt. Die Technik muss sich den jeweiligen Fähigkeiten des Anwenders anpassen", sagt Langguth.

Dabei ziele AAL nicht nur auf Senioren. Auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf könne AAL helfen. "Arbeitgeber könnten pflegenden Angehörigen die AAL-Technik finanzieren, damit diese sicher sein können, dass die Schwiegermutter nicht gestürzt ist, während sie auf der Arbeit ist", nennt Langguth ein Beispiel.

aal-in.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort