Vier Flüchtlingshäuser im Saarland sollen schließen

Saarbrücken · Weil die Landesregierung sich seit 1. Februar um neu ankommende minderjährige Flüchtlinge kümmert, erwartet das Jugendamt des Regionalverbandes eine spürbare Entlastung. Nur eine Unterkunft in Völklingen werde vorerst noch gebraucht, sagt die Amtsleiterin.

 Das Jugendamt hat auch in Völklingen-Heidstock minderjährige Flüchtlinge untergebracht, die ohne Eltern hier ankamen. Dort sind zurzeit 25 von 28 Plätzen belegt. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Das Jugendamt hat auch in Völklingen-Heidstock minderjährige Flüchtlinge untergebracht, die ohne Eltern hier ankamen. Dort sind zurzeit 25 von 28 Plätzen belegt. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

"Die minderjährigen Flüchtlinge sind hoch motiviert und die große Mehrheit sehr lernwillig." Jugendamtsleiterin Petra Spoo-Ludwig bricht eine Lanze für die jungen Menschen, die nach einer langen Flucht versuchen, allein hier Fuß zu fassen. Mit der Bahn kamen 2015 viele von ihnen in Saarbrücken an. Wenn die Bundespolizei anrief, waren die Mitarbeiter des Jugendamts gefordert. 626 Minderjährige und junge Erwachsene, vor allem Afghanen, Syrer und Eritreer, holten sie ab und nahmen sie in Obhut. Diese Zahl hat sich gegenüber 2014 mehr als verdoppelt.

Seit 1. Februar ist das Landesamt für Soziales für die "vorläufige Inobhutnahme" zuständig. Vom Saarland aus sollen die Flüchtlinge auf andere Bundesländer verteilt werden. Spoo-Ludwig erhofft sich davon eine spürbare Entlastung. Denn nach dem Verteilschlüssel müsse das Saarland zurzeit keine neuen minderjährigen Flüchtlinge mehr aufnehmen, weil es schon viele aufgenommen hat. "Es ist derzeit entspannter", sagt Spoo-Ludwig und kündigt an, dass nach und nach vier der fünf Häuser geschlossen werden sollen und nur eine Einrichtung in Völklingen zunächst offenbleibe. Die Entscheidung liege aber bei den Trägern, also Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Und was passiert, wenn wieder viele Flüchtlinge untergebracht werden müssen? Das sei zurzeit nicht absehbar, meint Spoo-Ludwig: "Wir können die Häuser aber nicht auf Verdacht finanzieren." Falls neue Flüchtlinge kommen, werde das Amt wieder improvisieren müssen. Das Personal, das mit rund 17 Stellen ausschließlich für die jungen Flüchtlinge da war, werde teilweise in andere Abteilungen versetzt. Spoo-Ludwig betont aber, dass das Jugendamt alle minderjährigen Flüchtlinge weiterbetreue, die vor dem 1. Februar kamen.

Sie stellt auch klar, dass kein deutsches Kind ein Platz in einer Wohngruppe oder einem Heim verweigert wurde, weil so viele junge Flüchtlinge kamen. Deshalb habe der Regionalverband ja die Erstunterkünfte eingerichtet. Spoo-Ludwig: "Jeder, der Hilfe braucht, bekommt sie auch." Das gelte ebenso für die Sprachförderung in Krippen und Kindergärten: Die komme den Kindern von Deutschen und Flüchtlingen gleichermaßen zugute. 950 000 Euro Personalkosten schlugen 2015 für die Betreuung der Flüchtlinge zu Buche. Die Kosten für Unterbringung und Versorgung übernehme seit 1. November das Land, zuvor habe der Bund gezahlt.

Insgesamt gibt das Jugendamt in diesem Jahr 106 Millionen Euro aus. Nach Angaben Spoo-Ludwigs steigen die Ausgaben für den Krippenausbau um 4,8 Millionen Euro und die Übernahme der Elterngebühren in Kitas und für die Nachmittagsbetreuung an Schulen um zwei Millionen Euro . "Das liegt unter anderem daran, dass mehr Leute zwar Arbeit haben, ihr Einkommen aber nicht zum Leben reicht." Deshalb bekommen sie noch Geld vom Jobcenter und hätten Anspruch auf eine Erstattung der Gebühren. Außerdem sei die Zahl der Plätze deutlich gestiegen. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist noch aus einem anderen Grund wichtig: "Viele Flüchtlingsfamilien ziehen nach ihrer Anerkennung hierher und schicken ihre Kinder in die Kitas." Aber auch arme Familien kommen, weil sie die Anonymität der Stadt schätzen. Das schlägt sich alles in den Ausgaben des Jugendamts nieder. Umso wichtiger ist Spoo-Ludwig Folgendes: "Die Politik steht hinter uns."

Meinung:
Wer Hilfe braucht, bekommt sie auch

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

In der aufgeheizten Flüchtlingsdiskussion ist dieser Satz der Jugendamts-Chefin wichtig: Jedes Kind und jeder Jugendliche, der Hilfe braucht, bekommt sie auch - trotz der hohen Zahl junger Flüchtlinge . Das erklärt sich schon aus dem Gesetz, das die Behörde verpflichtet zu helfen. Zum Beispiel, wenn das Wohl eines Kindes gefährdet ist.

Da es noch viele weitere Aufgaben, etwa den Krippenausbau, gibt, ist es aber richtig, dass Amtsleiterin Petra Spoo-Ludwig auf die Entspannung bei den Flüchtlingen reagiert und Mitarbeiter in andere Abteilungen versetzt. Diese Situation wird anhalten, weil sich die Landesregierung nun um die neu ankommenden Minderjährigen kümmert. Wenn, dann muss der Regionalverband künftig weniger Flüchtlinge aufnehmen. Wie viele das sein werden, kann aber niemand vorhersagen. Deshalb ist es nachzuvollziehen, einige Unterkünfte zu schließen, aber auch richtig, ein Flüchtlingsheim offenzulassen.

Zum Thema:

Hintergrund633 junge Flüchtlinge werden derzeit vom Jugendamt betreut. Darunter sind 233 junge Volljährige, die ebenfalls unter das Jugendhilfegesetz fallen. 258 Minderjährige sind im Status der "Inobhutnahme". Das heißt: Jeder dieser Flüchtlinge hat einen Anspruch auf sofortige Hilfe, erklärt Amtsleiterin Petra Spoo-Ludwig. Rund 350 der Flüchtlinge sind in Wohngruppen und Jugend-WGs untergebracht, 79 noch in den Erstaufnahmestellen und 204 im Betreuten Wohnen oder anderen Wohnformen. Die Zahl der Inobhutnahmen bei den deutschen Kindern und Jugendlichen ist 2014 - Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor - leicht zurückgegangen. Spoo-Ludwig sieht darin aber noch keine Trendwende. sm

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