Vertagt auf nach der Landtagswahl

Saarbrücken · CDU und SPD haben zwar Konzepte für eine Reform der kommunalen Strukturen vorgelegt, doch vor der Landtagswahl 2017 wird nichts Wesentliches mehr passieren. Dafür könnte es danach eine große Reform geben.

 Die letzte Gebietsreform trat 1974 in Kraft. Hier Ministerpräsident Franz Josef Röder (M.), Innenminister Ludwig Schnur (r.) und Wirtschaftsminister Manfred Schäfer beim Beschluss im Landtag. Foto: Isenhuth

Die letzte Gebietsreform trat 1974 in Kraft. Hier Ministerpräsident Franz Josef Röder (M.), Innenminister Ludwig Schnur (r.) und Wirtschaftsminister Manfred Schäfer beim Beschluss im Landtag. Foto: Isenhuth

Foto: Isenhuth

Nach einem unaufhaltsamen Anstieg der Verschuldung von Städten und Gemeinden wollten CDU und SPD schnell und entschlossen handeln. "Höchste Eisenbahn" sei es, sagte Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) Anfang 2015, es müsse "sofort" mit den notwendigen Maßnahmen begonnen werden. Auch die SPD beschloss: "Eine weitere Verzögerung können sich weder Land noch Kommunen leisten."

Beide Regierungsparteien legten umfassende Konzepte für Kommunalreformen vor. Doch dann drängte die Flüchtlingswelle im Sommer 2015 alle anderen Themen in den Hintergrund. Jetzt, ein Jahr vor der Landtagswahl, sind Reformen nicht mehr zu erwarten. Die Frage ist, wie es nach der Wahl weitergeht, ob die Kommunen verpflichtet werden, Teile ihrer Verwaltungen zusammenzulegen oder ob sogar eine Gebietsreform kommt. "Wir hoffen auf Klarheit, was die Landesregierung eigentlich will", sagt Städtetags-Präsident Klaus Lorig (CDU ).

Als erste Partei war die CDU im Herbst 2014 vorgeprescht. Sie schlug vor, dass sich mehrere Kommunen freiwillig zu sogenannten Infrastruktur-Einheiten von 30 000 bis 50 000 Einwohnern zusammenschließen. Die Landesregierung sollte in diesem Konzept Vorgaben zur angemessenen Ausstattung einer solchen Einheit mit öffentlichen Einrichtungen machen (was sie bisher nicht getan hat). Funktioniert die Zusammenarbeit in einer dreijährigen Freiwilligkeitsphase nicht, wäre eine Gebietsreform der nächste Schritt.

Die SPD hielt von Beginn an wenig bis nichts von Infrastruktur-Einheiten und einer Gebietsreform. Zwar sieht auch ihr Konzept eine deutlich stärkere Zusammenarbeit der Kommunen vor, aber mit anderem Akzent: Sollten bis Ende 2016 "keine verstärkten Bemühungen" zu erkennen sein, so steht es im SPD-Papier, dann soll der Gesetzgeber sie dazu zwingen (was er bis zur Landtagswahl aber nicht mehr tun wird). Die SPD denkt etwa an ein Rechenzentrum für alle Kommunen, ein gemeinsames Rechnungsprüfungs- oder Steueramt.

Von Infrastruktur-Einheiten hat man seit dem CDU-Beschluss im November 2014 nichts mehr gehört. "Was das letztlich ist, weiß keiner", sagt der Völklinger CDU-Oberbürgermeister Lorig. Niemand weiß etwa, ob die Freiwilligkeitsphase nach Ansicht der CDU schon begonnen hat oder ob sie erst nach der Landtagswahl 2017 beginnen soll - was allerdings nicht so ganz zur Eilbedürftigkeit der Sache passen würde.

Die Schnittmenge aus CDU- und SPD-Konzept ist der Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit mit dem Ziel, Stellen in den Kommunalverwaltungen abzubauen. Zehn Prozent der Personalkosten sollen die Städte und Gemeinden bis 2024 einsparen (siehe Infobox). Innenminister Bouillon hat eine Reihe von Gutachten vergeben, um Möglichkeiten für mehr Kooperation auszuloten - in fast 40 der 52 Kommunen sollen Projekte geprüft werden.

Der SPD-Landtagsfraktion geht das alles zu langsam, sie vermisst konkrete Vorschläge des Innenministeriums, beispielsweise nur noch ein Standesamt pro Landkreis. "Wenn wir die Kommunen dabei alleine lassen, wird nicht viel dabei herauskommen", sagt Fraktionsvize Magnus Jung . Er warnt vor "Insellösungen" einzelner Kommunen, die Fakten schaffen und einer großen Reform am Ende im Wege stehen könnten. Das Innenministerium agiere halbherzig und spiele auf Zeit. Bis Kommunen nach den Gutachten Entscheidungen umsetzen könnten, sei man wahrscheinlich im Jahr 2018. "Das dauert zu lange", so Jung.

Allerdings drückt auch die SPD nicht gerade aufs Reform-Tempo: Ein ursprünglich bis Herbst 2015 angekündigtes umfassendes und detailliertes Konzept "ohne Tabus oder Denkverbote" für eine Verwaltungsstrukturreform im Großraum Saarbrücken gibt es bis heute nicht - und wird es vor der Wahl im Frühjahr 2017 wohl auch nicht mehr geben.

Bleibt die Frage, ob selbst eine noch so intensive Zusammenarbeit der Kommunen am Ende überhaupt ausreichen wird, um die Einsparziele zu erreichen. Nein, sagt Peter Hötger, der die CDU-Landtagsfraktion 2014 bei der Erarbeitung ihres Konzepts beraten hat. Er hält die interkommunale Zusammenarbeit für "eine psychologische Vorbereitung auf eine große Gebietsreform". Eine Diskussion über die Gebietsreform komme nach der Landtagswahl 2017/18 "so sicher wie das Amen in der Kirche", heißt es in der CDU . Innenminister Bouillon erteilte seinen Beamten bereits vor einem Jahr den Auftrag, "an ersten Voruntersuchungen in Bezug auf die Größen und Zuschnitte der saarländischen Gemeinden" zu arbeiten. Die CDU-Spitze ist da zurückhaltender, will wohl erst abwarten, ob die erhoffte Zusammenarbeit stärker in Gang kommt.

Die SPD würde - Stand heute - eine Gebietsreform nicht mittragen, unter anderem weil sie sich, wenn überhaupt, erst nach Jahren rechne. Fraktionsvize Jung sagt: "Ich gehe davon aus, dass wir bei dieser Linie bleiben." Doch auch in der SPD sehen das nicht alle so. "Die Bürger sind weiter als die Politik", sagt die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz.

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HintergrundZehn Prozent weniger Personalkosten - das ist die Vorgabe an die Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2024. Der Stellenabbau ist der größte Einzelposten im Sparkonzept, das bis 2024 zu ausgeglichenen Kommunalhaushalten führen soll. Die Empfehlung dazu kam von Gutachter Martin Junkernheinrich, fixiert wurde sie 2015 im Kommunalpakt von Land und Kommunen. Allerdings haben die Kommunen in der Flüchtlingskrise noch Personal draufgesattelt. Der Landkreistag, der bis heute keinen Kommunalpakt mit dem Land geschlossen hat, hält den Vertrag daher für obsolet. kir

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