Verschlechtert sich das Bus-Angebot?

Saarbrücken/St Wendel · Der Busunternehmer Behles will ab 2016 unter alleinigem finanziellen Risiko auf allen Strecken im Landkreis St. Wendel fahren und auf Staatszuschüsse verzichten. Der Plan indes sieht auch den Wegfall einiger Verbindungen vor. Das ruft Kritiker auf den Plan, die um die Grundversorgung fürchten.

Von einem Angebot, das "erhebliche Nachteile insbesondere für die Menschen in den Wohngebieten und Stadtteilen abseits des Zentrums" mit sich bringe, spricht Torsten Lang. Der SPD-Fraktionschef im St. Wendeler Stadtrat lehne deshalb die Offerte des privaten Busunternehmens Behles ab, auf eigene Kosten ab 2016 alle Strecken im Landkreis zu bedienen. "Statt einer an einigen Stellen dringend notwendigen Verbesserung der Anbindung an die Kernstadt, ist eine Ausdünnung der Linien zu befürchten", warnt Lang. Behles picke sich so die Rosinen raus, indem er lukrative Linien fortführen wolle. Am Abend und in der Nacht streiche er das Angebot rigoros zusammen. Lang: "Insbesondere Jugendliche und weniger mobile Menschen abseits des Zentrums schauen in die Röhre." Gleichzeitig schade dies der Gastronomie und Veranstaltungen, wenn keine Busse mehr fahren. Gleichzeitig sieht der SPD-Politiker "auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen in St. Wendel und die drohende Absenkung sozialer Standards für Arbeitnehmer im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)". Zwar habe der Bewerber Behles laut Landrat Udo Recktenwald (CDU) zugesagt, bei einem Zuschlag frei werdende Fahrer der bisher mit Subunternehmern die Linien im St. Wendeler Land bedienende Saar-Pfalz-Bus-GmbH zu übernehmen. Allerdings gehören beide Betriebe unterschiedlichen Flächentarifen an. Die Entgelte bei Saar-Pfalz-Bus liegen im Durchschnitt darüber.

Lang sieht zwar, sollte Behles zum Zuge kommen, auch für die Stadtkasse eine Ersparnis von 100 000 Euro pro Jahr. Doch nach intensiver Einsicht in die Pläne spricht er von einem "vergifteten Geschenk". Seine Stadtratsfraktion werde folglich gegen das Konzept stimmen.

Weniger skeptisch ist hingegen Stefan Spaniol, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. "Das Einsparpotenzial für Kreis und alle Kommunen ist sehr groß." Einige Gemeinden profitierten seiner Ansicht nach sogar von neuen Strecken.

"Die CDU-Kreistagsfraktion erkennt die Chancen und Herausforderungen des Antrags der Firma Behles, über die letztlich die Landesebene zu entscheiden hat." Hier ist die Verkehrsmanagement-Gesellschaft Saar (VGS) zuständig, die dafür sorgen soll, das landesweit flächendeckend der Grundbedarf an Busverbindungen erhalten bleibt. Kreistag, Gemeinden und Stadt geben lediglich Empfehlungen ab, die letztlich für die Entscheidung nicht bindend sind. Spaniol weist allerdings auch darauf hin, dass es nach den Behles-Akten auch Verschlechterungen gebe. Zurück zum bisherigen Konzept könne es seiner Ansicht nach nicht mehr gehen. Eine Alternative zum Behles-Antrag sei "nicht ein Status quo, sondern eine europaweite Ausschreibung aller Linien, was zuvor auch eine Neukonzeption der Linien bedarf".

Wenn Behles allerdings den Zuschlag erhalte, dann "werden wir für einen bedarfsgerechten und gleichwertigen ÖPNV im St. Wendeler Land Ergänzungen des Verkehrsangebotes vornehmen". Das betreffe beispielsweise Tholey. Der dortige Gemeinderat lehnte die Vorschläge als unzureichend einstimmig ab (wir berichteten). Auch Busse zu späterer Stunde müssten fahren, "um unser erfolgreiches Nachtbuskonzept zu erweitern", sagt Spaniol. Dafür stehe Geld bereit.

Für ein Angebot, das auch älteren Menschen gerecht wird, plädiert Marietta Scheib. Das SPD-Kreistagsmitglied sowie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft 60Plus (AG 60+) ihrer Partei fordert im Vorfeld der Kreistagssitzung an diesem Montag: "Alle Senioren unseres Landkreises müssen ihre Mobilität behalten." Dabei seien viele auf den Bus als einziges Verkehrsmittel auf dem Land angewiesen. Diese Verbindungen müssten das ganze Jahr über bereitstehen. Dabei blickt sie auf Roschberg. Dieser Ort soll nach Vorstellungen der Behles-Verantwortlichen nur noch von Schulbussen angefahren werden, die allerdings während der Ferien nicht unterwegs sind. Scheib sieht unter anderem die Notwendigkeit, jederzeit Arztbesuche, Termine bei Ämtern sowie Einkäufe erledigen zu können, wenn der eigene Wagen nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Gleichzeitig halte sie Reisebusse für ungeeignet, da für viele Kunden, die nicht mehr fit genug sind, der Ein- und Ausstieg beschwerlich sei. Erst wenn diese und weitere "Punkte geklärt sind, kann aus Sicht der AG 60+ auf einer soliden Basis im Kreistag abgestimmt werden", setzt Scheib voraus.

"Wir fordern den Kreistag auf, dieses Angebot, wie es zurzeit vorliegt, abzulehnen." So äußert sich Sandra Henkel. Die Kreisvorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) befürchtet nämlich "eine deutliche Verschlechterung gegenüber der jetzigen Situation". Die Jugendlichen und die ältere Generation seien "die Verlierer des neuen Buslinien-Konzepts der Firma Behles". Hintergrund sind nach Ansicht der SPD-Kaderschmiede die "deutlich ausgedünnten" Verbindungen an den Wochenenden und in den Abendstunden. Dadurch seien junge Leute gezwungen, aufs Auto umzusteigen.

Der St. Wendeler Kreistag befasst sich an diesem Montag, 5. Mai, unter anderem mit dem Angebot der Weiskircher Firma Behles, alle Busrouten im St. Wendeler Land ab 2016 allein zu versorgen (Tagesordnungspunkt 8). Bereits zwei Kreistagsausschüsse berieten nichtöffentlich das Thema. Die öffentliche Kreistagssitzung beginnt um 16.30 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamtes.

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HintergrundDas Weiskircher Unternehmen Behles will ab 2016 alle Buslinien im Landkreis St. Wendel eigenwirtschaftlich unterhalten. Das bedeutet: Der Betreiber, der heute schon mit zwei Subunternehmern auf einigen Strecken im Landkreis unterwegs ist, will auf die bis dahin üblichen 1,2 Millionen Euro Staatszuschuss verzichten. Diese steuern bislang das Saarland (50 Prozent), die Stadt und die Gemeinden (zusammen 40 Prozent der Gesamtsumme) sowie die Kreisverwaltung (zehn Prozent) bei. Erreichen will Behles diese Eigenwirtschaftlichkeit laut eigenen Angaben, indem das heutige Streckennetz optimiert werde: Längst nicht ausgelastete Busse in den Randzeiten vor fünf Uhr und nach 21 Uhr sollen entfallen (außer die Nachtbusse am Wochenende, die nicht zum Angebotsbündel gehören). Auf weniger stark nachgefragten Strecken sollen kleinere Busse zum Einsatz kommen. Parallel oder kurz aufeinanderfahrende Busverbindungen werden zusammengelegt. Gleichzeitig will Behles aber auch neue Ziele anbieten wie beispielsweise direkte Verbindungen von St. Wendel an den Bostalsee und zurück.Eine gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibung der Linien von Staats wegen ist mit dem eigenwirtschaftlichen Angebot obsolet. Denn nur wenn die öffentliche Hand bezahlen muss, kommt diese Vorschrift zum Tragen. Laut St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU) ging das Behles-Angebot eine Viertelstunde vor Fristende ein. hgn

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