Vergewaltigung und Folter als Ballett

Saarbrücken · Das Saarländische Staatstheater präsentiert ein Tanztheaterstück, das auf historischen Ereignissen beruht.

 Marioenrico D'Angelo, Francesco Vecchione, Saúl Vega-Mendoza, Edoardo Cino (v.l.) tanzen eine Choreografie von Stijn Celis. Foto: Peggy Zenkner

Marioenrico D'Angelo, Francesco Vecchione, Saúl Vega-Mendoza, Edoardo Cino (v.l.) tanzen eine Choreografie von Stijn Celis. Foto: Peggy Zenkner

Foto: Peggy Zenkner

So entspannt und einträchtig wie sie in der Probenpause nebeneinandersitzen, wird das Saarbrücker Publikum Laurent Guilbaud und Zuzana Zahradníková leider nicht kennenlernen. Denn im neuen Ballettabend, für den Stijn Celis die beiden Tänzer als Gäste engagierte, stehen sie zwar als Vater und Tochter auf der Bühne.

Doch da wird Laurent Guilbaud in der Rolle des Familientyranns Francesco seine Tochter, seine Gattin und Söhne misshandeln und missbrauchen müssen. Zuzana Zahradníková wiederum wird nicht allein vom Vater Gewalt erleiden. So will es das auf einer historischen Begebenheit beruhende Tanztheaterstück "Die Folterungen der Beatrice Cenci" von Gerhard Bohner.

Als historische Rekonstruktion bringt das Staatstheater dieses Werk, das 1971 als Meilenstein der Tanzgeschichte gefeiert wurde, nach 25 Jahren nun erstmals wieder auf eine Bühne. Am Samstag, bei der Premiere des Ballettabends Bohner-Celis, ist es als erster Teil zu sehen. "Für die Rolle des Francesco braucht man eine Persönlichkeit mit einer gewissen Reife", erklärt Ballettdirektor, warum er den 38-jährigen Franzosen Guilhaud als erste Besetzung verpflichtete. Die beiden kennen sich aus Dresden, wo Guilhaud als Solist Semperoper Balletts dort in drei großen Produktionen von Celis mitwirkte.

"Eigentlich hab ich Stijn angerufen, um ihn zu fragen, ob er jemand zum Unterrichten braucht", erzählt Guilhaud, der 2016 das Dresdener Ensemble verlassen hatte, um in Paris ein Diplom als Tanzpädagoge abzulegen. Als ihm Celis stattdessen die Tänzerrolle anbot, sagte er begeistert zu. Warum? "Es ist eine sehr dramatische und dunkle Rolle." Und sie sei sehr intensiv, da müsse man sich zu 300 Prozent einbringen - oder es besser lassen, meint Guilhaud. "Man darf nicht ängstlich sein, Francesco ist sehr brutal, sehr gewalttätig."

Im Leben sei er natürlich ganz anders, aber als Rolle finde er das interessant. "Ich war wirklich überrascht von der Intensität, der Gewalt, ich habe schon harte Sachen getanzt, aber so etwas noch nie", pflichtet Zuzana Zahradníková ihm bei. Als Beatrice hat sie den wohl härtesten Part. Nicht nur der Vater, auch andere Männer, die Folterer der Inquisition vergreifen sich an ihr, um ihr das Geständnis abzupressen, den Vater ermordet zu haben. Und das Leiden steigere sich in den 40 Minuten, in denen sie durchgehend auf der Bühne präsent sei, sagt die Tänzerin. Sowohl psychisch als auch physisch sei die Rolle ganz schön fordernd. Zahradníková stammt aus Tschechien.

Gleich nach dem Tanzstudium in Prag ging sie mit 18, 19 nach München, zum Bayerischen Staatsballett, einer der Spitzen-Kompanien der Republik. Unter Ivan Liska stieg sie in der 68 Tänzer starken Truppe zu einer der drei Solistinnen auf. 17 Jahre blieb sie dem Staatsballett treu.

"Das Repertoire war so reichhaltig, wie sonst nur in fünf Kompanien, warum hätte ich da wechseln sollen", sagt die 37-Jährige, die erst 2016 ausschied, um freiberuflich als Solistin zu tanzen. Als sie erfuhr, dass Chery Trevaskis in Saarbrücken die Einstudierung des Bohner-Stücks übernehmen wird, habe sie sich total gefreut, sagt Zahradníková. Denn die Australierin ist ihr aus München vertraut. Trevaskis arbeitete am Staatsballett seit 1989 als Ballettmeisterin und Choreologin, das heißt: Fachfrau für die Notation von Choreografien. "Dadurch ging ich hier gelassener an die Aufgabe", sagt Zahradníková. Wie die Tschechin in München, hat auch der Franzose Guilhaud fast die Hälfte seines Lebens in Deutschland verbracht.

Guilhaud, der aus der kleinen Gemeinde Rodez in der Nähe von Toulouse stammt, führte der Weg nach Engagements in Nancy und Marseille 2000 nach Berlin, anschließen über Stuttgart nach Dresden. Heimweh kennen die beiden nicht. Höchstens nach dem französischen Essen, räumt Guilhaud ein. "Ich liebe Deutschland, ehrlich, ich finde es ist das beste Land überhaupt", schwärmt er. "Das Leben ist preiswerter, vor allem die Mieten, ich kann in Dresden täglich mit dem Rad fahren, was ich total gern mache, und ich bin nicht weit von Berlin."

 Laurent Guilbaud und Zuzana Zahradníková. Fotos: Peggy Zenkner

Laurent Guilbaud und Zuzana Zahradníková. Fotos: Peggy Zenkner

Gerhard Bohners "Die Folterungen der Beatrice Cenci" und "Pulcinella" zur Musik von Igor Strawinsky in der Choreografie von Stijn Celis - Premiere am Samstag, 6. Mai, 19.30 Uhr, im Saarländischen Staatstheater.

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