Verein möchte beim richtigen Streiten helfen

Saarbrücken. "Wir leben in einer Welt", sagt Nicole Riegger (34), "in der Streit etwas Negatives und Unerwünschtes ist. Schon als Kind bekommt man ständig gesagt: Vertragt euch!" Doch Streitgespräche können nützlich sein: "Sie sprechen Bedürfnisse an, können Lösungen aufzeigen und Konflikte beilegen. Zumindest, wenn man richtig streitet

 Nicole Riegger Foto: ceg

Nicole Riegger Foto: ceg

Saarbrücken. "Wir leben in einer Welt", sagt Nicole Riegger (34), "in der Streit etwas Negatives und Unerwünschtes ist. Schon als Kind bekommt man ständig gesagt: Vertragt euch!" Doch Streitgespräche können nützlich sein: "Sie sprechen Bedürfnisse an, können Lösungen aufzeigen und Konflikte beilegen. Zumindest, wenn man richtig streitet."

Nicole Riegger ist ausgebildete Mediatorin, eine Streitvermittlerin, und Sprecherin des im Juni 2011 gegründeten Vereins "Streitwert e.V. - Verein zur Förderung einer nachhaltigen Konfliktkultur".

"Zu uns kommen Menschen, die in einem Konflikt nicht weiterkommen", sagt sie. Auf dem kleinen Glastisch im Sitzungszimmer liegen die druckfrischen Infoflyer. "Viele Fälle haben wir noch nicht", bekennt sie, "denn das Verfahren Mediation steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. In Amerika, wo das außergerichtliche Verfahren der Streitbeilegung herkommt, gibt es an jeder Ecke einen Mediator. Amerikaner holen sich Hilfe von außen. Bei uns herrscht eher das Motto: Ich werde mit allem allein fertig. Und wenn nicht, gibt es ja die Gerichte."

Vor sechs Jahren begann Riegger, sich in Wochenendseminaren in Freiburg als Mediatorin ausbilden zu lassen. "Ich war gerade mit meinem Jurastudium fertig, steckte mitten im Referat und merkte, die Juristerei hinterlässt unglückliche Menschen. Selbst dann, wenn man vor Gericht Recht bekommt, fühlt man sich nicht gut. Gerichtsverfahren führen nicht zu glücklichen Menschen."

Riegger schmunzelt: "Es ist kein Zufall, dass zehn der 20 Mitglieder bei uns im Verein Juristen sind." Anders als vor Gericht, wo sich Rechtsanwälte einen Schlagabtausch liefern, "reden bei uns die zerstrittenen Parteien miteinander". Ein Konflikt hat mehrere Stufen, weiß Riegger. "Oft fressen Menschen den Ärger in sich rein, sprechen nicht über ihre Bedürfnisse, sind unglücklich. Dann kommt es zum Streit, der sich zum Kriegsspiel ausweiten kann."

Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, kann es zu Konflikten kommen. Die Mediatoren von "Streitwert" bieten Konfliktberatung bei Paaren, Nachbarn, Schulfreunden, WG-Mitbewohnern, Kollegen oder Menschen, die sich in Vereinen oder bei Institutionen in die Haare kriegen.

"Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn man nicht mehr miteinander spricht." Im Sitzungszimmer werden die Streitgespräche von den ausgebildeten Mediatoren "strukturiert". "Wir setzen Regeln fest wie beispielsweise: keine Beschimpfungen", erklärt Riegger. "Laut darf es aber werden."

Häufig seien es banale Dinge, die sich hochschaukeln. Ein Beispiel: "Der Putzplan in einer WG führt häufig zum Streit. Einer putzt, der andere weigert sich. Nur zu sagen: ,Du musst putzen' reicht nicht." Bei einer Mediation kommen beide Parteien zu Wort. Der strukturierte Gesprächsrahmen führt zu einem Perspektivenwechsel: "Eine Mediation schafft, dass Menschen sich zuhören. Wenn man erst mal soweit ist, dass man hören will, wie es dem anderen geht, was er fühlt, dann ist die Konfliktauflösung nicht mehr weit."

Riegger, die nicht als Juristin arbeitet, sondern als Verwaltungsangestellte im "Büro der Gleichstellungsbeauftragten" an der Saar-Uni und gerade im Mutterschutz ist, findet, streiten gehört zum Leben. "Mein Freund und ich haben vor kurzem unser viertes Kind bekommen. Natürlich kracht es da auch mal. Und obwohl ich weiß, was einen Streit schlimmer macht, kann ich's manchmal nicht lassen", sagt sie grinsend. Jedem Streit kann aber eine gemeinsame Lösung folgen, weiß sie.

Streitwert e.V., Kantstraße 23, 66111 Saarbrücken.

streitwert.eu

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort