Verdi droht mit Notstand an „Tag X“

Saarbrücken · Der Kampf für mehr Personal in den Saar-Kliniken ist beschwerlich, der für Herbst geplante Streik in Gefahr. Die Gewerkschaft Verdi sucht daher neue Wege – und mehr Mitstreiter in den kirchlichen Krankenhäusern.

 In den vergangenen Jahren gingen Krankenhausbeschäftigte – wie hier im Jahr 2013 in Saarbrücken – mehrmals für mehr Personal und mehr Geld auf die Straße. Foto: becker&Bredel

In den vergangenen Jahren gingen Krankenhausbeschäftigte – wie hier im Jahr 2013 in Saarbrücken – mehrmals für mehr Personal und mehr Geld auf die Straße. Foto: becker&Bredel

Foto: becker&Bredel

Die Gewerkschaft Verdi erwägt im Kampf gegen die Personalnot an den 22 saarländischen Krankenhäusern eine neue Taktik. Neben einem für Herbst geplanten mehrwöchigen Streik droht sie den Klinikbetreibern nun auch mit einer Massenkündigung tausender Beschäftigter, um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Pflegepersonal zu erzwingen. Dazu müssten mindestens 3000 der knapp 5000 Beschäftigten ihre Kündigung zum "Tag X" bei einem Notar hinterlegen, sagte Verdi-Sekretär Michael Quetting der SZ. Die einzelne Kündigung würde nur wirksam, wenn mindestens 3000 weitere Mitarbeiter das Gleiche tun. "Wenn das eintrifft, würde der Notstand eintreten, vermutlich müssten sie dann die Bundeswehr einmarschieren lassen", sagt Quetting. Er sei derzeit in Gesprächen mit Rechtsexperten, denn rechtlich sei dies kompliziert. In Finnland habe eine solche Aktion schon einmal zum Erfolg geführt.

Heute will Quetting die Idee mit Mitarbeitervertretern diskutieren; eine Entscheidung wird dabei noch nicht erwartet. Denn es läuft noch nicht rund. Der Gewerkschaft gelingt es bislang nicht, die Beschäftigten der elf katholischen und evangelischen Krankenhäuser zu mobilisieren. "Die Beschäftigten der kommunalen Krankenhäuser, der Uniklinik, der Knappschaftskliniken und der Krankenhäuser des DRK können das nicht alleine stemmen", heißt es in einer Resolution, die heute beschlossen werden soll und sich an die Beschäftigten der kirchlichen Häuser richtet. Dort ist Verdi kaum vertreten. Auf den Stationen dieser Häuser gibt es bisher so gut wie kein Interesse, sich im Konflikt mit den Arbeitgebern als sogenannte Tarifberater zu engagieren. Nach einer gewerkschaftsinternen Aufstellung haben sich von den angestrebten 127 Tarifberatern in den katholischen und evangelischen Häusern erst 15 gemeldet. Die kommunalen Kliniken, die Knappschaftshäuser und die SHG-Kliniken liegen dagegen deutlich über Plan.

Bislang plant Verdi, im Herbst mehrere Einrichtungen zeitgleich lahmzulegen - notfalls über mehrere Wochen, bis die Betreiber in die Knie gehen. Dieser Plan hat allerdings zwei Tücken: Zum einen hat der eintägige Warnstreik im April (als es ums Gehalt ging) gezeigt, dass die Gewerkschaft nicht überall Notdienst-Vereinbarungen durchsetzen konnte, die zu Stations-Schließungen führten. Wenn aber Patienten zu versorgen sind, können Pflegekräfte nicht ohne weiteres ihre Arbeit niederlegen. Das Arbeitsgericht Saarbrücken hatte zudem entschieden, dass ein Krankenhaus Mitarbeiter notfalls zum Dienst verpflichten darf.

Die zweite Schwierigkeit aus Gewerkschaftssicht: Die Hälfte der 22 Krankenhäuser im Saarland ist in kirchlicher Trägerschaft - und dort darf laut Betreiber nicht gestreikt werden. Verdi sieht dies zwar grundsätzlich anders, muss aber einsehen, dass die Streikbereitschaft dort extrem niedrig ist. Quettings Überlegung: Mit der Androhung einer Massenkündigung ließen sich diese Mitarbeiter vielleicht eher ins Boot holen. "Ohne Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen bei Caritas , Diakonie und Marienkrankenhäusern, bekommen wir keine Entlastung und Mindestpersonalbesetzungen in den Häusern hin", heißt es in der Resolution.

Ob das alles so klappt, sagt Quetting, entscheide nicht Verdi, sondern die Beschäftigten selbst. Die Krankenhausträger glauben jedenfalls nicht an den Erfolg einer solchen Aktion. Dass Verdi am Ende tausende Beschäftigte dazu bewegen könne zu kündigen, "da habe ich eher meine Zweifel", sagt der Vorsitzende der Saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG), Manfred Klein. Die Träger hatten in der Vergangenheit stets betont, dass auch sie mehr Personal in der Pflege für nötig halten. Allerdings lasse das Finanzierungssystem der Krankenhäuser den Klinikleitungen keine Spielräume, mehr Personal einzustellen. Klein hält die Forderung von Verdi nach einem Entlastungs-Tarifvertrag jedoch aus einem ganz anderen Grund für fragwürdig: Die einzelnen Krankenhäuser seien gar keine Tarifpartner, könnten also gar keine Tarifverträge mit Verdi über eine Entlastung der Beschäftigten schließen. Die Berliner Charité, wo Verdi einen solchen Vertrag durchgesetzt hatte, sei ein Sonderfall: Dort gebe es einen Haustarifvertrag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort