Und nachmittags ein paar Stunden in den Landtag?

Saarbrücken/Bremen · Immer wieder wird über die Umwandlung des Saar-Landtags in ein Teilzeitparlament diskutiert. Das soll Kosten sparen. Doch auffällig ist: Der hiesige Landtag ist wesentlich günstiger als das Bremer Teilzeitparlament.

 Der Landtag kostet den Steuerzahler rund 18 Millionen Euro im Jahr. Foto: Oliver Dietze/dpa

Der Landtag kostet den Steuerzahler rund 18 Millionen Euro im Jahr. Foto: Oliver Dietze/dpa

Foto: Oliver Dietze/dpa

Die Diskussion kommt alle paar Jahre wieder. 2011 war es die FDP , die sich für die Umwandlung des saarländischen Landtags in ein Teilzeitparlament stark machte. Nun zieht die AfD mit dieser Forderung in den Landtagswahlkampf und verweist auf die Teilzeitparlamente in Hamburg, Bremen und Berlin. Die Einführung eines Teilzeitparlaments (oder alternativ die Verkleinerung des Parlaments) werde "ein Signal aussenden, dass es das Saarland mit Spar- und Reformmaßnahmen ernst meint", heißt es im Wahlprogramm der Partei. Auch die von früheren Regierungsmitgliedern gegründete Zukunftsinitiative Saar (ZIS) hegt Sympathien für ein Teilzeitparlament.

Wer wissen will, was die 51 Abgeordneten samt Parlamentsverwaltung und Fraktionen die Steuerzahler kosten, muss in den Landeshaushalt schauen. Für das laufende Jahr sind knapp 18 Millionen Euro veranschlagt. Das sind 0,44 Prozent des Landeshaushalts, in dem aktuell eine strukturelle Lücke von 436 Millionen Euro klafft. Was zeigt, dass Einsparungen beim Landtag allenfalls symbolischer Natur wären.

Der frühere, inzwischen verstorbene Landtagspräsident Hans Ley (CDU ) hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass das Saarland bundesweit mit Abstand nicht nur das kleinste, sondern auch das günstigste Parlament hat. Die Frage ist jedoch, ob ein Teilzeitparlament nicht noch günstiger wäre. "Das kann man nicht pauschal beantworten", sagt der Bremer Politikwissenschaftler Professor Lothar Probst, der die Verhältnisse in dem Bundesland mit Teilzeit-Abgeordneten seit Jahrzehnten kennt. "Ob ein Teilzeitparlament billiger wäre, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab: von der Höhe der Diäten, vom Sitzungsrhythmus, der Anzahl der Ausschüsse, den Sitzungs- und Reisegeldern sowie der Beschäftigung von Mitarbeitern der Abgeordneten, Fraktionen und des Parlaments", sagte Probst der SZ.

Und siehe da: Bremen (670 000 Einwohner) lässt sich sein Teilzeitparlament deutlich mehr kosten als das Saarland (996 000 Einwohner) sein Vollzeitparlament. Bremen gibt für seine Bürgerschaft (83 Abgeordnete ) nämlich fast 30 Millionen Euro im Jahr aus, das Saarland für den Landtag (51 Abgeordnete ) die erwähnten 18 Millionen Euro . Man kann dies so interpretieren, dass die Bremer Teilzeitparlamentarier, die ja oft nur halbtags Politik machen, auf eine größere Parlamentsverwaltung und besser ausgestattete Fraktionen als Dienstleister zurückgreifen müssen.

Die saarländischen Abgeordneten fühlen sich mit ihrem Landtags-Job ausgelastet, eine Umwandlung in ein Teilzeitparlament ist dort überhaupt kein Thema. Bundesweit geht der Trend eher in Richtung Vollzeit. In Hamburg und Berlin gibt es, anders als im armen Bremen, immer wieder Vorstöße in diese Richtung. Als Begründung wird dort stets genannt, dass Abgeordnete eine Regierung mit tausenden Mitarbeitern gerade bei komplexen Themen nicht mehr effektiv kontrollieren können, wenn sie nachmittags nach ihrem regulären Job ins Parlament kommen. Um die Umwandlung kostenneutral zu gestalten, so heißt es immer wieder, müsse dann aber die Zahl der Mandate reduziert werden. Vor fünf Jahren hat Baden-Württemberg die Umwandlung in ein Vollzeitparlament vollzogen. Dort blieb die Anzahl der Sitze gleich - mit der Folge, dass die Ausgaben fürs Parlament von 2010 bis 2012 um satte 62 Prozent stiegen.

Die Abgeordneten in Bremen üben ihre Tätigkeit laut Gesetz "mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aus". Dafür dürfen ihnen am Arbeitsplatz keine Nachteile entstehen. Ein großer Teil der Abgeordneten nimmt das Mandat laut Probst jedoch "mehr oder weniger als hauptberufliche Tätigkeit wahr, auch wenn die Beanspruchung es zulässt, noch einen regulären Beruf auszuüben". Viele Abgeordnete kämen aus dem öffentlichen Dienst, einige arbeiteten als Anwälte oder seien in Unternehmen oder als Selbstständige tätig.

Eine gerade von Wirtschaftsleuten geäußerte Hoffnung scheint das Teilzeitparlament aber nicht zu erfüllen: dass dort nämlich mehr Wirtschaftsvertreter anzutreffen sind. "Ich glaube nicht, dass es in dieser Beziehung große Unterschiede zwischen Teilzeit- und Vollzeitparlamenten gibt", sagt der Bremer Politikforscher Probst. "Mitglieder des öffentlichen Dienstes, Juristen und Freiberufler dominieren in allen Parlamenten, einen Fliesenleger oder eine Krankenschwester findet man unter den Abgeordneten kaum. Dass ein Teilzeitparlament eine Einladung an Wirtschaftsvertreter wäre, sich stärker zu engagieren, lässt sich für Bremen nicht feststellen. Die Quote von Wirtschaftsvertretern ist hier nicht höher als in Vollzeitparlamenten."

Ohnehin sei es gar nicht entscheidend, ob ein Landtag als Vollzeit- oder Teilzeitparlament organisiert ist, sagt Probst. Das Problem liege woanders: "Die Landtage verlieren an Bedeutung gegenüber der Exekutive und an Attraktivität." Deshalb ist weniger die Frage, ob man sich für ein anderes Modell entscheidet, sondern wie man die Parlamente reformiert und wieder lebendiger macht."

Zum Thema:

Auf einen Blick In Bremen erhalten die Teilzeit-Abgeordneten eine Entschädigung von 4700 Euro , dafür aber keine steuerfreie Aufwandspauschale mehr. Zudem müssen sie selbst für ihr Alter vorsorgen, wofür sie jedoch noch eine Zulage von 750 Euro bekommen. Im Saarland bekommen die Abgeordneten im Monat 5408 Euro plus 1264 Euro als steuerfreie Aufwandspauschale. Die Altersversorgung zahlt das Land. Die Höhe richtet sich danach, wie lange der Abgeordnete im Landtag saß (35 bis 71,75 Prozent der Grunddiät). kir

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