„Türkisch Mann“ spielt mit Klischees

Saarbrücken · Ein findiges Duo hat türkisches Liedgut aus der Bundesrepublik ausgegraben. Songs von Einwanderern aus den 60er Jahren bis heute, die bisher kaum jemand kannte, sind jetzt in der Sparte 4 zu hören.

 Imran Ayata (rechts) und Bülent Kullukcu haben die unbekannten „Songs of Gastarbeiter“ entdeckt. Foto: Eugen Halle

Imran Ayata (rechts) und Bülent Kullukcu haben die unbekannten „Songs of Gastarbeiter“ entdeckt. Foto: Eugen Halle

Foto: Eugen Halle

Nein, die "Songs of Gastarbeiter ", sind nicht, wie man meinen könnte, die neueste Ausgabe der Reihe "Direktmusik" in der Sparte 4, sondern ein Gastspiel. Und was für eins! Imran Ayata, Berliner Autor, und Bülent Kullukcu, Münchner Theatermacher, bildender Künstler, Musiker und DJ, haben türkisches Liedgut aus der Bundesrepublik ausgegraben. Songs von Einwanderern aus den 60er Jahren bis heute, die außerhalb der türkischen Community bisher kaum jemand kannte. "Ein Schatz, vielleicht der größte, der seit langem in Deutschland gehoben wurde", jubelte die Frankfurter Allgemeine. Denn der Großteil der Songs schlummerte, auch von der ersten Einwanderergeneration fast vergessen, in alten Schallplatten- und Musikkassettenkisten oder war sogar schon "entsorgt". Ayata, 44, und Kullukcu, 43, entdeckten Perlen wie "Türkisch Mann", in dem ein gewisser Yusuf herrlich selbstironisch und musikalisch im Italo-Western-Sound Klischees vom Knoblauch-Esser, der "nix Deutsch", aber "viel Arbeit kann", besingt. Die beiden fanden Spottlieder und Klagegsänge, Songs, die deutlich in anatolischen Traditionen verwurzelt sind, aber auch Bands, die die Tradition mit Disko-Folk oder auch Electro und Funk aufpeppten und ganz neue Stile kreierten. Viele Musiker und Sänger kamen als Arbeiter nach Deutschland und bauten erst hier ihr musikalisches Talent aus, erzählt Ayata im Gespräch mit der SZ, andere waren schon in der Türkei Superstars und mussten vor dem Militärputsch fliehen. Von manchen fehle heute jede Spur, andere wurden später in der Türkei berühmt. Wie musikalisch vielschichtig der Einwanderer-Sound sei, habe sie selbst überrascht, sagt Ayata, und auch wie tanzbar: "Die Leute waren alle wie elektrisiert", erinnert sich der gebürtige Ulmer an die erste Vorführung der "Songs of Gastarbeiter " zum 50. Jubiläum des Deutsch-türkischen Anwerbevertrags in Berlin. Neben einer gleichnamigen CD für den Trikont-Verlag haben Ayata und Kullukcu als Team "Ayku" auch eine Bühnenperformance konzipiert, die sie am Samstag in der Sparte 4 zeigen. "Kommentiertes Plattenauflegen" nennt Ayata, was die Zuschauer erwartet: Eine musikalische Zeitreise von der Ankunft der ersten Gastarbeiter bis heute, zu der die zwei auf einer Riesenleinwand Filmausschnitte einspielen und Geschichten erzählen. Mit der Performance sind sie landauf, landab so sehr gefragt, dass das Folgealbum "Songs of Gastarbeiter " Vol.2 noch warten muss. Nach der Performance, erzählt Ayata, kämen oft Zuschauer begeistert auf sie zu und sagten: "Ich habe viel über Deutschland gelernt".

Sparte 4, Samstag, 6. Dezember, 20 Uhr.

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