Tür für Syrer nur spaltbreit offen

Saarbrücken · Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge verläuft im Saarland sehr schleppend. Der Flüchtlingsrat macht dafür die Bürokratie verantwortlich. Die syrische Familie Issa konnte das Kirchenasyl in Quierschied jetzt verlassen.

 Harald Klein betreute die Syrer Jamila, Mustafa und Rudi Issa (v.l.) im Quierschieder Kirchenasyl, das die Familie jetzt nach drei Monaten Angst vor der Abschiebung verlassen konnte. Foto: dla

Harald Klein betreute die Syrer Jamila, Mustafa und Rudi Issa (v.l.) im Quierschieder Kirchenasyl, das die Familie jetzt nach drei Monaten Angst vor der Abschiebung verlassen konnte. Foto: dla

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. Seit mehr als drei Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg, der von beiden Seiten mit grausamer Härte geführt wird. Millionen Syrer sind vor dem Grauen der Bombenangriffe, der Granateneinschläge, der Maschinengewehrtrommelfeuer und des Giftgases geflohen, die meisten von ihnen leben in hoffnungslos überfüllten Lagern unter katastrophalen humanitären Bedingungen im Nachbarstaat Libanon.

Diese Menschen haben jedoch kaum Chancen, dem Elend der Lager zu entfliehen, da die europäischen Staaten sich abschotten. Deutschland hat jetzt beschlossen, zu den 10 000 Asylplätzen für Syrer weitere 10 000 zur Verfügung zu stellen. Viel zu wenige, wie etwa der evangelische Präses Manfred Rekowski aus Düsseldorf sagt. Im Bosnienkrieg in den 1990er Jahren habe Deutschland noch 320 000 Menschen aufgenommen, so Rekowski jüngst in der SZ.

Doch selbst die von der deutschen Politik genannten Aufnahmekapazitäten werden beileibe nicht ausgeschöpft, weil die Asylbürokratie deutlich erkennbar bremst. So sind im Saarland von 124 Plätzen aus dem ersten Bundesprogramm für 10 000 syrische Flüchtlinge bis dato erst 61 aufgenommen worden, wie das saarländische Innenministerium der SZ auf Anfrage mitteilte. Das Land selbst will 62 Syrern die Türen öffnen - hat aber bisher nur sieben hereingelassen. Ob und wann also die jüngst beschlossenen weiteren 10 000 Plätze bundesweit, im Saarland 124, von den Flüchtlingen in Anspruch genommen werden können, weiß nur das Bundesamt für Flüchtlinge .

Die 68 syrischen Flüchtlinge , die es bisher trotz der Hürden, die Deutschland etwa durch ein langwieriges Visumsverfahren in den Flüchtlingslagern aufgebaut hat, ins Saarland geschafft haben, sind nach Auskunft des Innenministeriums in Wohnungen in den Kommunen untergebracht. "Im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms, dessen Geltungsdauer bis März 2015 verlängert worden ist, können noch weitere 55 Personen im Saarland aufgenommen werden", teilte das Innenministerium mit. Hierzu sei eine "Vielzahl von Anträgen gestellt worden". Jedoch hätten in keinem weiteren Fall "die Voraussetzungen des Landesprogramms" vorgelegen. Das heißt: Sieben Glückliche haben es geschafft, der Hölle zu entkommen, die meisten müssen drin bleiben. Roland Röder vom Vorstand des Saar-Flüchtlingsrats kritisierte die "Intransparenz" des Aufnahmeverfahrens. "Die Politik hat hier nicht den Hut auf", so Röder. Zudem werde das Asyl für Syrer zu einem "Asyl für Reiche", weil nur diejenigen hereingelassen würden, die entweder selbst genügend Geld mitbrächten oder deren Verwandte in Deutschland dafür bürgten, alle etwaigen Kosten zu übernehmen.

"Unsere Hoffnung ist, dass das Kirchenasyl als Signal wahrgenommen wird", erklärt der evangelische Pfarrer Hans-Lothar Hölscher aus Quierschied-Fischbach. Hölscher, der zusammen mit der Gemeinde der dreiköpfigen syrischen Familie Issa drei Monate lang im Gemeindehaus Fischbach Kirchenasyl gewährt hatte, sagt, dass bei der Rechtsprechung in Sachen syrischer Flüchtlinge "ein ziemliches Durcheinander" in Deutschland herrsche. Die Familie Issa sei seit gut einer Woche wieder in ihrer Wohnung, da ein Mitarbeiter des Lebacher Flüchtlingslagers ihr telefonisch mitgeteilt habe, dass die Abschiebungsdrohung aufgehoben sei. Die Bundesbehörden wollten die Familie, die nach einer zweijährigen Odyssee im Saarland gelandet war, nach Italien abschieben. Denn die Familie hatte wahrheitsgemäß in ihren Asylantrag geschrieben, sie sei auf ihrer Flucht nach Europa zuerst in Italien angekommen. Nach den EU-Verträgen müssen die Erstaufnahmeländer die Flüchtlinge behalten, deshalb die Abschiebungsdrohung. "Ein Familienmitglied konnte sich während der drei Monate im Gemeindehaus nicht wegen einer schweren Erkrankung ins Krankenhaus begeben, weil es fürchtete, aus dem Klinikbett herausgeholt und abgeschoben zu werden", so Hölscher. Jetzt sei die dringend notwendige Behandlung endlich möglich. Nach Angaben des Sprechers der Evangelischen Kirche Saar Helmut Paulus befinden sich in drei Gemeinden noch eine Familie aus dem Iran, eine Familie aus Afghanistan und ein Afghane im Kirchenasyl und werden so vor der Abschiebung geschützt. Auch die katholische Kirche hat in vier Saar-Gemeinden nach SZ-Informationen Kirchenasyle eingerichtet.

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