Trump – „Das ist schon ein Trauerspiel“

Saarbrücken · Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Reformationsbotschafterin im Luther-Jubiläumsjahr Margot Käßmann, 58, war jetzt Gast in der Universität des Saarlandes. Bei einem Studientag der evangelischen Theologie sprach sie auch über das Thema „Frieden schaffen mit (oder trotz) Religion“. Käßmann stellte sich danach den Fragen von SZ-Redakteur Dietmar Klostermann.

 Margot Käßmann im Gespräch mit der SZ.

Margot Käßmann im Gespräch mit der SZ.

Foto: Oliver Dietze

Frau Käßmann, Sie jetten als Botschafterin des Reformationsjubiläums 2017 im Auftrag der EKD um die Welt. Warum braucht Luthers Protestantismus heute dieses Marketing? Spricht Luthers Botschaft nicht für sich?

Käßmann: Auf jeden Fall spricht Luthers Botschaft für sich. Aber wir wollen die Chance dieses 500-jährigen Jubiläumsjahres wahrnehmen, um von dieser Botschaft öffentlich zu sprechen. Ich finde, die evangelische Kirche tut gut daran, ein solches Jubiläum zu gestalten und zu nutzen.

In Saarbrücken ging es an der Saar-Uni um die Frage "Frieden schaffen mit Religion". 2009 sagten Sie den umstrittenen Satz "Nichts ist gut in Afghanistan". Sehen Sie sich heute in der Analyse des Kriegseinsatzes der Bundeswehr bestätigt?

Käßmann: Meine Predigt war keine Analyse des Afghanistan-Einsatzes, sondern eine Predigt über die Jahreslosung 2010 "Euer Herz erschrecke nicht!". Und ich habe damals gesagt, wir brauchen auch nicht erschrecken als Christen, wenn wir hinschauen und feststellen: Nichts ist gut. Dass wir unterschätzt haben, dass unsere Bundeswehr in Afghanistan nicht einfach Brunnen bohrt und Mädchenschulen baut, sondern sich in einem Kriegseinsatz befindet. Ich denke, das ist damals dramatisch klar geworden. Mir tun die Menschen in Afghanistan entsetzlich leid. Weil der Frieden immer noch nicht in Sicht ist.

Millionen Protestanten haben in den USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt, der vor allem durch rassistische und frauenfeindliche Äußerungen auffällt. Was ist da schief gelaufen, sind Sie im Bibel-Gürtel des Mittleren Westens nicht als Botschafterin unterwegs gewesen?

Käßmann: (lacht) Ich denke nicht, dass ich tatsächlich Donald Trumps Wahl hätte aufhalten können. Aber die amerikanischen Kirchengemeinden, die ich besucht habe in den letzten Jahren, konnten sich das auch nicht vorstellen, dass jemand, der derart frauenfeindliche Äußerungen von sich gibt, der Witze über Menschen mit Behinderungen macht, der sich rassistisch äußert, der keinerlei Bahmherzigkeit zeigt mit illegalen Einwanderern, und all das, was wir als Menschenwürde, als Gottebenbildlichkeit verstehen in Frage stellt, dass so ein Mann US-Präsident wird. Das ist schon ein Trauerspiel.

Welches Problem im gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland ist das gewichtigste und müsste am dringendsten gelöst werden? Die zunehmende Armut, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, oder die Zunahme von Hass auf Zuwanderer und Flüchtlinge?

Käßmann: Dazwischen kann ich mich schwer entscheiden. Für mich ist das Auseinanderdriften von Wohlhabenden und Armen im Land tatsächlich eine Belastung. Ich bin in einer Generation groß geworden, in der das Spannungsfeld nicht sehr groß war, auch die Durchlässigkeit im Bildungssektor gegeben war. Dass heute wieder Kinder einen Schulabschluss entsprechend ihrer sozialen Herkunft machen, das halte ich auch mit Blick auf die Reformation und ihren Bildungs-Impetus für schlecht. Die Situation von alleinerziehenden Müttern, von so genannten Aufstockern, von Menschen, die von einer minimalen Rente leben müssen, die sollte viel mehr in den Fokus. Gleichzeitig finde ich es unerträglich, welche Hasstiraden es gegen Menschen gibt, die bei uns Zuflucht suchen. Beides sind Themen, die ich für hoch relevant halte, für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft in diesem Land.

Die christlichen Kirchen bewegen sich wieder verstärkt aufeinander zu, selbst der Papst betet jetzt für Luther. Aber wie sieht es mit der Verständigung mit den Muslimen aus? Braucht der Islam auch eine Reformation, einen Luther, um im 21. Jahrhundert anzukommen?

Käßmann: Es ist immer problematisch, einer anderen Religion zu sagen, was sie zu tun hat. Das finde ich leicht überheblich. Ich möchte auch nicht, dass Muslime mir sagen, wie das Christentum sich verändern muss. Aber wir werden auf der Weltausstellung Reformation einen ganzen Tag haben, an dem auch das Thema Reformnotwendigkeit im Islam diskutiert werden wird. Die Muslime in der Vorbereitungsgruppe sagen ganz klar: Der Islam braucht eine Reformation. Was die Frauenfrage angeht, die Bildungsfrage, den Blick auf den Koran. Das muss aber innerislamisch entwickelt werden. Ich bin überzeugt, dass die Generation der jungen Muslime , die in Deutschland einen Bildungsweg durchlaufen haben, darüber diskutieren. Nehmen sie den Münsteraner Religionsprofessor Mouhanad Khorchide oder Aiman Mazyek, den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime . Die sind sehr wohl in der Lage, das für sich und im Islam zu diskutieren.

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