Trommeln und schlau(er) werden

Saarbrücken · Es haben sich schon Sechsjährige ans neue Cello geklammert. Immer wieder ist Thomas Kitzig fasziniert davon, was Musik mit Kindern macht. Auch deshalb treibt der Saarbrücker Musikschul-Chef sein Projekt in Grundschulen voran.

 An der Kirchberg-Schule kommen Kinder vieler Nationen zusammen. Gemeinsam musizieren sie im Percussion-Projekt. Foto: Iris Maurer

An der Kirchberg-Schule kommen Kinder vieler Nationen zusammen. Gemeinsam musizieren sie im Percussion-Projekt. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Wird Thomas Kitzig auf Bundeskongressen jemandem neu vorgestellt, dann klingt das schon mal so: "Das ist der Kollege mit der Kirchenorgel im Büro." In der Tat steht eine doch recht ausladende Orgel gleich hinterm Schreibtisch des Chefs der Saarbrücker städtischen Musikschule. Die hatte sich Kitzig in jungen Jahren zum Üben angeschafft und irgendwann mit ins Büro genommen. Er spielt das wuchtige Instrument regelmäßig, denn auch wenn er mit Leib und Seele seine Musikschule verwaltet: Im Herzen bleibt er Musiker. Fast jeden Sonntag kann man ihn im Gottesdienst hören - zum Beispiel auf der Orgel der Pfarrkirche St. Michael. Das ist sein Ausgleich. Den Rest der Zeit verbringt er damit, die Musik möglichst breitflächig in die Bevölkerung zu tragen. Und zwar mit beeindruckendem Erfolg.

Längst ist die Musikschule Saarbrücken viel mehr als "nur" ein fester Ort für Kinder, deren Eltern ihnen das Erlernen eines Instruments ermöglichen wollen. Seit einigen Jahren wachsen aus dem "Stamm"-Haus im Nauwieser Viertel zunehmend kräftigere Wurzel-Arme quer durch die Stadt. Vom Eschberg über Alt-Saarbrücken bis nach Malstatt - überall sitzen ganze Grundschul-Klassen beisammen und musizieren. Die Kinder trommeln, sie fiedeln, sie singen, sie flöten. Angeleitet von Lehrkräften der Musikschule und befeuert und unterstützt von ihren eigenen, engagierten Lehrerinnen und Lehrern.

Das Leitbild, das Thomas Kitzig "seiner" Schule vor ein paar Jahren gegeben hat, heißt: "Musikalische Bildung für alle!" Und danach leben er und seine Lehrkräfte und mittlerweile viele Schulen der Stadt Saarbrücken . Seit geraumer Zeit schon weiß man aus Studien, dass musikalische Bildung Kindern in allen Bereichen des Lebens zugutekommt - ihre soziale Kompetenz erweitert sich, aber sie profitieren zum Beispiel auch in Mathematik. Ausgehend davon und sicher von seiner eigenen Liebe zur Musik, kämpft Kitzig unermüdlich für dieses Ziel. "In der Grundschule erreichen wir alle", sagt er im SZ-Gespräch. Und deshalb setzt sein Herzensprojekt dort an.

Vor rund zehn Jahren fing das Ganze an, mittlerweile hat sich der Gedanke "Jedem Kind ein Instrument" in 17 von 27 Grundschulen verankert. "Wir haben Kinder musikalisiert, die nie eine Chance gehabt hätten", schwärmt Kitzig und erinnert sich gerührt an einen Sechsjährigen der seinerzeit bei den "Kleinen Streichern" der Ordensgutschule sein Cello bekam und es sogleich innig umarmte. "Heute ist er 15, und er spielt immer noch", sagt Kitzig, und man glaubt ihm sofort, wie sehr ihn solche Erlebnisse freuen. "Das ist, was uns antreibt. Das hat einen Effekt für die Kinder fürs Leben."

Über 1000 Kinder pro Woche erreicht das Grundschul-Projekt auf diese Weise. Hinzu kommen 2300 Kinder an der Musikschule selbst.

Die bunteste Truppe ist dabei sicher in der Kirchbergschule in Malstatt, wo Kinder aus sage und schreibe 48 Nationen eine ungemein fröhliche Percussion-Truppe bilden. Wer sich selbst davon überzeugen will, mit welcher Begeisterung Kinder aller Länder miteinander trommeln, tanzen, singen, der findet auf der sehr schönen Homepage der Saarbrücker Musikschule, www.musikschule.saarbruecken.de , unter der Rubrik "Projekte" einen informativen und fröhlich stimmenden Film.

Aber ohne das "Mutterhaus" Musikschule mit seinen über 50 Diplom-Musikpädagogen wäre diese Arbeit nicht machbar. "Diese Schule ist ein wertvoller bildungspolitischer Schatz", sagt Kitzig und entwirft das Bild von seiner Musikschule als Pyramide: "Unten in der Breite wollen wir alle erreichen. Und bis in die Spitze hat jeder seinen Platz."

Das gilt übrigens auch für jedes Kind, das in einem der Grundschulprojekte die Liebe zur Musik entdeckt und Talent hat. Da scheitert es nicht am Geld. Nicht nur bietet die Musikschule großzügige Nachlässe für sozial schwächere Kinder. Können Eltern auch das nicht aufbringen, springt der Förderverein ein. Acht Kinder unterstützt er aktuell, damit jedes Kind sein Instrument findet.

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