Tausche Kleid gegen Rennanzug

Völklingen · Kaum eine Sportart verkörpert den Männertraum so sehr wie der Motorsport. Leistung und Technik, Geschwindigkeit und Risiko. Doch auch junge Frauen kämpfen um ihren Platz im Rennzirkus – so wie die Völklingerin Carrie Schreiner.

 Carrie Schreiner posiert gekonnt in ihrem Rennanzug und mit dem pinkfarbenen Helm. Foto: Wieck

Carrie Schreiner posiert gekonnt in ihrem Rennanzug und mit dem pinkfarbenen Helm. Foto: Wieck

Foto: Wieck

"Ich will Autofahren", platz es aus ihr heraus. Schelmisch blickt das freundliche Mädchen mit den langen, dunklen Haaren. Die Augen verraten ihre Ungeduld. Doch die 15-jährige Carrie Schreiner aus Völklingen muss sich gedulden. Der eigene Führerschein kommt erst in zwei Jahren in Frage. Bis dahin muss sie weiterhin "Mami und Papi fragen", wenn sie irgendwohin will.

Wohin die junge Kartfahrerin tatsächlich will, steht außer Frage. Carrie Schreiner gehört zu denen, die schon einen Plan entworfen haben. Ihr Augenmerk liegt auf der Formelklasse - sie will "in fünf Jahren Profi-Rennfahrer sein". Den Ehrgeiz dazu hat sie.

Die Begeisterung für den Motorsport stammt von den Eltern. Frank Schreiner ist ein "Autonarr" und 16 Jahre lang Tourenrennen gefahren. Mutter Christa teilt die Begeisterung für "alles, was vier Räder hat". Offenkundig ist es nicht der erste Pressetermin im Hause Schreiner. Im Fernseher läuft ein Autorennen. Die Tochter, klein und zierlich, posiert bereitwillig für den Fotografen, tauscht Kleid gegen Rennanzug. 2012 gewann Carrie Schreiner die nationale Nachwuchsmeisterschaft im Kartsport, das ADAC Kart Masters der 13- bis 15-Jährigen. Als erstes Mädchen überhaupt. Sie es gewohnt, im Fokus zu stehen.

Dabei zählt sie nicht zu den Jugendlichen, die schon in jungen Jahren auf die Formel 1 oder die DTM getrimmt wurden. Sie reist nicht als "Vollprofi" mit einer Entourage aus Betreuern und Privatlehrern umher. Vielmehr fühlt sie sich als Spätstarterin. Mit zehn Jahren saß sie zum ersten Mal im Kart. Das Verständnis für die Technik und die Problemanalyse musste sie im Schnelldurchlauf entwickeln. "Ich weiß jetzt mehr von der Technik. Wenn was kaputt geht, weiß ich auch ungefähr, was das ist und warum es kaputt ist."

Die Dominanz, mit der sie ihre Gegner zuletzt beherrschte, war spektakulär. Die Reaktionen der Konkurrenten ebenso. "Die Peinlichkeit, von einem Mädchen überholt zu werden, können nicht alle wegstecken", sagt sie und verdreht die Augen. "Meist gucken die Jungs doof. Manche verhalten sich respektlos." Beschimpfungen und Rachegelüste in den Auslaufrunden sind nicht selten. Dennoch nennt sie keine weiblichen Namen auf die Frage nach ihren Vorbildern, sondern "Sebastian Vettel und Lewis Hamilton". Ähnlich wie bei den beiden sei ihr Talent schnell zu erkennen gewesen, erinnert sich ihr Vater. Der runde Fahrstil, die Starts und Überholmanöver seien die Stärken seiner Tochter. "Carrie erkennt Lücken instinktiv", sagt Vater Frank. "Kart fahren ist Kontaktsport. Sie musste lernen, gegenzuhalten. Aber sie hatte immer den Speed, auch im schwächeren Kart."

2013 zahlte Carrie aber Lehrgeld. "Ein schwarzes Kapitel", sagt sie. Nach dem Durchmarsch 2012 sollte der Angriff in der Klasse KF3 folgen. Vater Frank sagt: "Ein Sportler muss lernen, mit Niederlagen umgehen zu können." Die ersten beiden Saison-Rennen endeten für Carrie Schreiner im Krankenhaus - mit einer Gehirnerschütterung, einer Verstauchung und null Punkten. "Alles, was man sich in der Vorbereitung aufgebaut hatte, war futsch", sagt sie. Dieses Jahr soll anders verlaufen. Der Wechsel zu Team Energy Germany hat für neue Motivation gesorgt, in der gerade begonnenen Saison hat die 15-Jährige schon einige Gegner "weggebügelt", wie Vater Frank sagt. In der zweiten Saisonhälfte steht ein zweiwöchiges Testprogramm bei Team Motopark in Oschersleben an.

Sollte es doch nichts werden mit der Profikarriere, existiert ein Plan B. Die Realschülerin wird eine Lehre im Familienunternehmen Donic machen. "Als Betriebskauffrau, nicht wahr, zwei oder drei Jahre?" erkundigt sich Frank Schreiner. "Wir probieren es jedenfalls mit der Profikarriere im Motorsport. Die Voraussetzungen sind ja da." Schließlich ist das Autofahren der große Traum. Der Traum der Familie Schreiner.

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