Streit um Pflanzengift und Krebs

Saarbrücken · Welche Risiken birgt das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat? Darüber wird auf EU-Ebene gestritten. Der Saar-Landtag hört dazu Verbände an. Auch Bürger sind zu der öffentlichen Anhörung eingeladen.

. Es geht um Geld, sehr viel Geld. Und es geht möglicherweise um die Gesundheit von Millionen Menschen weltweit. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht das effektivste Pflanzengift der Welt, das Glyphosat. Anfang der 1970er Jahre vom Chemieriesen Monsanto auf den Markt gebracht, ist es heute in der konventionellen Landwirtschaft quasi unverzichtbar. Hunderttausende Tonnen Glyphosat werden jährlich in den großen Feldanbauregionen der USA und Chinas ausgebracht, um Unkräuter zu vernichten. Ohne dieses Mittel müssten riesige Flächen unter den Pflug genommen werden, um der unerwünschten Sprößlinge Herr zu werden. Was die Klimabilanz sehr negativ belasten würde, sagen Agrarexperten.

Gleichzeitig steht seit wenigen Jahren Glyphosat im Verdacht, krebserregend zu sein. Noch im März hatte die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Herbizid als "wahrscheinlich krebserregend" bezeichnet. Nach heftigen wissenschaftlichen Debatten kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) am 12. November zum gegenteiligen Ergebnis. Die Efsa und die EU-Mitgliedstaaten hätten die Neubewertung von Glyphosat - einer chemischen Substanz, die breite Verwendung in Pflanzenschutzmitteln findet, abgeschlossen, hieß es. "Den Schlussfolgerungen des Berichts zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat eine krebserregende Gefahr für den Menschen darstellt", teilte die Efsa mit. Dennoch werde eine neue Sicherheitsmaßnahme vorgeschlagen, um die Kontrolle von Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln zu verschärfen. Diese Schlussfolgerung werde auch in die Entscheidung der Europäischen Kommission über den Verbleib von Glyphosat auf der EU-Liste der genehmigten Wirkstoffe einfließen, hieß es. Die Kommission hat die Zulassung von Glyphosat bis Ende Juni 2016 verlängert.

Auch im Saarland tobt der Kampf um die Deutungshoheit über die Gefährlichkeit des Glyphosats. Während der SPD-Landesparteitag ein generelles Glyphosat-Verbot forderte, will SPD-Umweltminister Reinhold Jost erst noch das Ergebnis der wissenschaftlichen Debatte abwarten. Grüne und Umweltverbände drücken ebenfalls beim Glyphosat-Verbot aufs Tempo. Gartenbaumärkte im Saarland hätten das Pflanzengift schon aus ihrem Sortiment genommen, so Jost.

Der Landtag will am 22. Januar ab 9 Uhr in einer für alle Bürger öffentlichen Anhörung Experten zum Glyphosat-Risiko befragen. Wie die SZ aus der SPD- und Grünenfraktion erfuhr, sind folgende Institutionen eingeladen: BUND, Nabu, Landwirtschaftskammer, Bauernverband, Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, Umweltbundesamt , Verbraucherzentrale Saarland, Labor Bio-Check in Leipzig: Monika Krüger, die eine Studie zu Glyphosatrückständen in Muttermilch erstellt hat, Medizinisches Labor Bremen, Dr. Hoppe, Umwelttoxikologe, Experte für Glyphosatuntersuchungen, Eberhard Greiser, Uni Bremen, der in der Anhörung im Bundestag zu Glyphosat die Bewertung des Bundesamts für Risikobewertung kritisiert hat, das Landesumweltamt zu Rückständen in Lebensmitteln und Gewässern, der Landesbetrieb für Straßenbau, der Städte- und Gemeindetag, die Saar-Ärztekammer, die Gewerkschaft IG BAU, der Chef des Bundesinstituts für Risikobewertung Andreas Hensel, Kurt Streif von der International Agency for Research on Cancer in Lyon, die Arbeitsgruppe Ökologischer Landbau Rheinland-Pfalz/Saarland, Efsa-Direktor Bernard Url, Parma, und ein Vertreter des EU-Parlaments.

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