Streit um Kosten bei Rückkehr zu G 9

Saarbrücken · Die Elterninitiative „G 9 jetzt!“ hat gestern offiziell die Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium gestartet. Das Bildungsministerium bestreitet, dass diese keine Kosten verursache, wie die Initiative sagt.

 Das 2001 im Saarland eingeführte achtjährige Gymnasium (G 8) ist umstritten. Ein Volksbegehren soll nun die Rückkehr zu G 9 erzwingen. Foto: dpa

Das 2001 im Saarland eingeführte achtjährige Gymnasium (G 8) ist umstritten. Ein Volksbegehren soll nun die Rückkehr zu G 9 erzwingen. Foto: dpa

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Anders als die Elterninitiative "G 9 jetzt!" geht das Bildungsministerium nicht davon aus, dass eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G 9) im Saarland ohne Mehrkosten zu erreichen wäre. Es sei mit Zusatzkosten "in Millionenhöhe" zu rechnen, teilte das Ministerium gestern auf SZ-Anfrage mit. Denn eine Wiedereinführung von G 9 erfordere unter anderem mehr Klassen, mehr Lehrer, veränderte Ausstattungen an den Schulen und höhere Heizkosten. Die Landesregierung lehnt eine Rückkehr zum G 9 ab. Katja Oltmanns, Sprecherin der Elterninitiative "G 9 jetzt!", erklärte dagegen gestern anlässlich des Starts einer Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Wiedereinführung von G 9 (wir berichteten), dass dies keine Zusatzkosten verursache. Die vorgeschriebene Zahl von 265 Jahreswochenstunden bis zum Erreichen des Abiturs werde ja lediglich auf einen längeren Zeitraum gestreckt, argumentierte Oltmanns. Unterm Strich fielen somit rund 3,68 Wochenstunden weniger an als beim derzeitigen G 8. Dies ermögliche den Schülern nicht nur "mehr Zeit zum Leben" und zur "Persönlichkeitsbildung", sondern auch eine gründlichere und umfassendere Ausbildung. Frank Wilhelm-Mauch, Professor der Saar-Uni für Theoretische Physik , führte dazu gestern als Fürsprecher der Initiative ins Feld, dass Studenten heute vor allem in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen über unzureichende Vorkenntnisse verfügten. Die Rückkehr zum G 9 sei unerlässlich, um ein höheres Bildungsniveau zu garantieren.

Die Elterninitiative sprach sich gestern zudem gegen eine Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 aus. Im Saarland kann das Abitur heute auch in neun Jahren über die Gemeinschaftsschule erreicht werden. Diese Variante sei jedoch keine echte Alternative, weil hier keine so umfassende Allgemeinbildung vermittelt werde wie am Gymnasium und die Studienbefähigung nicht erstes Ziel der Ausbildung sei, so die Sprecherin der Elterninitiative. Sie forderte eine grundsätzliche Rückkehr zum G 9.

Die Elterninitiative startete gestern offiziell die Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Wiedereinführung des grundsätzlich neunjährigen Gymnasiums im Saarland. Innerhalb eines halben Jahres muss die Initiative nun mindestens 5000 Unterschriften für ihren neuen Gesetzentwurf sammeln. Dieser weicht lediglich in einem einzigen Satz vom derzeitigen Text des Saarländischen Schulordnungsgesetzes ab. In Paragraph 3a, Absatz 4, soll künftig stehen: "Das Gymnasium umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 13." Heute ist dort die Rede von den Jahrgangsstufen 5 bis 12. Sollten die 5000 Unterschriften erreicht werden und entscheidet die Landesregierung, dass der Gesetzentwurf der Elterninitiative "G 9 jetzt!" zulässig ist, haben die Initiatoren drei Monate Zeit, um noch einmal Unterstützer zu mobilisieren: Geben sieben Prozent der Stimmberechtigten (rund 56 000 Personen) auf dem Amt, also einem Rathaus, ihre Unterschrift dafür ab, ist das Volksbegehren erfolgreich und der Landtag muss dem Anliegen nachkommen. Tut er das nicht, kommt es zum Volksentscheid. Votiert eine Mehrheit, die mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten entspricht, für den Gesetzentwurf, ist er beschlossen. Im Mai 2015 hatte die Elterninitiative "G 9 jetzt!" 6000 Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt. Eine Mehrheit im Landtag (CDU , SPD und Grüne) sprach sich jedoch für die Beibehaltung von G 8 aus.

Meinung:Saarland wird abgehängt

Von SZ-Redakteur Dietmar KlostermannAm Beispiel der Debatte um die Rückkehr zum Gymnasium in neun Jahren (G 9) zeigt sich, wie zukunftsfähig das Saarland ist. CDU-Schulminister Jürgen Schreier hatte das G 8-Abitur im Jahr 2000 auf Wunsch der Wirtschaft durchgedrückt. Die westdeutschen Bundesländer folgten dem anscheinend leuchtenden Saar-Beispiel. Doch die Erfahrungen mit dem Turbo-Abi waren so bitter, dass selbst die Wirtschaft sich mit Grausen abwandte. Alle West-Bundesländer sind entweder zu G 9 zurückgekehrt oder gerade dabei. Nur das Saarland will den "Schulfrieden", wie es der jetzige SPD-Bildungsminister Ulrich Commerçon ausdrückt, wahren. Die CDU /SPD-Koalition hält eisern am Schnell-Abitur fest, weil eine Rückkehr zu G 9 angeblich zu teuer sei. Zu teuer? Der regierenden großen Koalition müsste das Wohl der jungen Generation teuer sein, die durch das Gymnasium jagt, um am Ende mit 16 oder 17 Jahren, das Abi in der Tasche, dasteht, die Frage auf den Lippen "Was nun?". Aber das Volksbegehren wird es schwer haben. Die G 8-Eltern sind ja auch CDU- und SPD-Wähler - ebenso eisern und treu.

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