„Stolz wie die Wutz“

Saarbrücken · Nach 36 Jahren auf dem Halberg geht SR-Journalist und -Moderator Roland Helm in den relativen Ruhestand. Ein Gespräch über seine Karriere, seine Pläne, Donald Trump und einen Gast, der ihn ins Schwitzen brachte: Eiskönigin Kati Witt.

 Roland Helm am alten Arbeitsplatz, einem Studio auf dem Halberg.

Roland Helm am alten Arbeitsplatz, einem Studio auf dem Halberg.

Foto: Jean Laffitau

Die letzte Sendung ist ausgestrahlt, jetzt geht es für Roland Helm im Büro ans Aufräumen, Sortieren, Einpacken: CDs stapelweise, Vinylplatten, darunter eine Beatles-Picturedisc, ein antikes Koffer-Tonbandgerät, ein Exemplar seines kiloschweren Buchs "Saar Rock History", Keyboard, Verstärker - und auch ein Nena-Plakat von 2002, als sie in der Dillinger Eissporthalle auftrat. Die Vorgruppe damals: Sarrebruck Libre, Helms Band - eines seiner Projekte, die ihm den Abschied vom SR nach 36 Jahren wohl leichter machen.

Übliche Pensionärs-Rhetorik wie "Jetzt habe ich's hinter mir" mag der 65-Jährige nicht, "dafür habe ich meinen Beruf zu sehr geliebt." Das Leben auf dem Halberg war reichhaltig: 1979 erste Mitarbeit, Moderator ab 1981, 1983/84 Korrespondent in Washington. 1989 wird er Unterhaltungs-Chef von SR1, die letzten acht Jahre war er bei SR1 zuständig für Comedy , Kultur und Sounddesign.

"Ohne Otto Deppe wäre das alles wohl anders gelaufen", sagt Helm. Denn der SR-Mann hatte den jungen Helm Ende der 70er Jahre als Gast in einer Reisesendung, war der doch ein umtriebiger Globetrotter: Seine Weltumreisung als 20-Jähriger fand 1971 auch in der "Saarbrücker Zeitung" Widerhall; dort erschien der Heimkehrer mit einem Foto, auf dem er seinen afghanischen Fuchsmantel (und einen enormen "Easy Rider"-Schnauzbart) zeigte, "stolz wie die Wutz". Als Hilfskoch auf einem norwegischen Frachter von den USA nach Japan hatte er jeden Morgen 150 Spiegeleier gebrutzelt, Indien und Nepal bereist und Afghanistan noch erlebt, "bevor erst die Russen und dann die Amerikaner das Land zerstört haben". Schließlich war er mit dem Orient-Express wieder gen Heimat gerauscht. "Die Reisen waren Gold wert", sagt er heute, "man muss die Welt riechen und schmecken." Helms bis heute nicht versiegtes Erzähltalent und seine Radiostimme schätzte Deppe - das war der Einstieg beim SR. Hinter sich hatte Helm damals zwei langweilige Semester Jura in Saarbrücken , ein Politikstudium in Bonn und den Umzug zurück an die Saar ("eines Saarbrücker Mädels wegen"), wo er seine Studien als Volkswirt und Politologe abschloss.

Besonders prägend in der Vita des "Radiotiers" findet Helm seine Zeit in den USA: Bürgerrechtler Jesse Jackson , "den Wegbereiter von Obama", interviewte er da, verfolgte die Spuren saarländischer und pfälzischer Einwanderer nach Pennsylvania, fuhr mit US-Soldaten durchs besetzte Grenada. Heute empfindet er das Land als "so gespalten wie nie". Dass ein demokratischer schwarzer Präsident an die Macht gekommen ist, hätten viele "stupid white old men" nicht ertragen. "Dieses reaktionäre Amerika gibt es, aber es gibt auch ein besseres, liberales." Seine Prognose: "Clinton gewinnt, wenn sie nicht über irgendetwas stolpert, dass Trump für sich ausschlachten kann."

Die "alte Tante SR 1"

Zurück vom Capitol zum Halberg: Dort erlebte Helm das Aufkommen der Privatsender. Am 31. Dezember 1989 ging Radio Salü auf Sendung - drei Monate nachdem Helm sein Amt als SR 1-Unterhaltungschef angetreten hatte. "Der SR musste zur Kenntnis nehmen, dass er kein Monopol mehr hatte, sondern eine Konkurrenz." Helm, die Vielfalt der US-Radiolandschaft noch im Ohr, nahm die Konkurrenz "sehr ernst" und setzte Comedy bei der "damals alten Tante SR1" durch, mit Jacques' Bistro, dem "Salon Roger" und Direktor Hummel ("Mir mache uns kä Stress wääsche!") - und später auch einer Parodie auf Landesvater Peter Müller mit noch klangvoller rollendem ‚R' als beim Original.

Nun also ein Dienstende ohne Trauer, aber mit Wehmut und vielen Erinnerungen, unter anderem an den einzigen Gesprächsgast, der Helm wirklich nervös machte: Katarina Witt , Ende der 80er Jahre. Mit Oskar Lafontaine kam die Eiskönigin damals ins Studio "und war so schön, dass ich völlig von den Socken war", sagt Helm. Ins Schwitzen brachten ihn dann Interviewgäste wie etwa die Bee Gees 1997 bei der "Goldenen Europa" nicht mehr.

Helms prächtiger „Easy Rider“-Schnauzbart, hier auf dem US-Presseausweis zu sehen, hielt immerhin bis 2002. Foto: Helm

Helms prächtiger „Easy Rider“-Schnauzbart, hier auf dem US-Presseausweis zu sehen, hielt immerhin bis 2002. Foto: Helm

Foto: Helm

Zu tun gibt es nun genug für Helm, der "immer auch ein Leben jenseits des Halbergs" hatte: Da ist der Medien-Lehrauftrag an der Uni Saarbrücken , seine Band Sarrebruck Libre (2. 10. Dudelange, 7. 10. Saarbrücken /Bel Etage) und sein Leonard-Cohen-Tribute-Abend (30. 9. Saarbrücken /Theater im Viertel), der sich vom Einmal-Termin zur Reihe mauserte: "Gleich beim ersten Mal war die Bude überraschend voll." Auch Arbeit im PopRat steht an, der, zugespitzt formuliert, das Saarland mit Popkultur retten will - als Lockmittel für jüngere Menschen, damit sie ins vergreisende Saarland kommen. Mitbegründer Helm sieht klare Chancen, "aber was letztlich dabei herauskommt, wissen wir alle nicht." Langweilen werde er sich also nicht, betont Helm, "und das ist kein Pfeifen im Wald."

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