Staatsanwaltschaft bringt Künstler vor Gericht

Saarbrücken · „Auch der christliche Glaube darf erwarten, dass respektvoll mit ihm umgegangen wird“, sagt der Pfarrer der katholischen Pfarrei St. Johann. Deshalb findet er es „in Ordnung“, dass der Künstler Alexander Karle für Turnübungen auf dem Basilika-Altar 1500 Euro Strafe zahlen soll.

 In einem Video macht Alexander Karle Liegestütze auf dem Altar der Basilika. Fotos: Karle

In einem Video macht Alexander Karle Liegestütze auf dem Altar der Basilika. Fotos: Karle

. Alexander Karle wollte gestern nicht viel sagen. Nur so viel: "Ich stehe nach wie vor voll und ganz hinter dem Video und dessen Aussage." Das Video, das der Saarbrücker Künstler in einem Schaufenster und im Rahmen einer Ausstellung gezeigt hat, zeigt ihn in der Basilika St. Johann. Karle steigt auf den Altar, macht 27 Liegestütze, legt sich kurz erschöpft auf die Steinplatte, steigt wieder runter, wischt mit einer Hand über den Altar, um Dreck zu beseitigen, und verlässt den Altarraum wieder.

Karle ist ein an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) ausgebildeter Künstler. Seine Aktion sei Kunst, keine Aktion gegen die Kirche, versicherte der 38-Jährige im Februar, als das Video bekannt wurde. Er habe "der Frage zwischen dem Zusammenhang von Religion und Leistungsdruck nachgehen" wollen.

Die Pfarrei St. Johann ließ sich von seiner Beteuerung, keine religiösen Gefühle verletzen zu wollen, nicht beeindrucken und ging zur Polizei . Gestern nun teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie beim Amtsgericht gegen Karle "wegen Störung der Religionsausübung und Hausfriedensbruchs die Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 Euro beantragt" hat. Karle soll also 1500 Euro zahlen.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, "den für die Öffentlichkeit weder bestimmten noch zugelassenen Altarraum" betreten und einen "der Religionsausübung dienenden, hierzu eigens geweihten Gegenstand, wissentlich und willentlich zweckentfremdet zu haben, indem er mit seinen beschuhten Füßen auf diesen hinaufstieg und darauf Turnübungen" machte. Die Staatsanwaltschaft wertet das als "grob ungehörige, eine rohe Gesinnung aufweisende Handlung".

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft kann das Ganze "nicht unter Berufung auf die grundgesetzlich verankerte Kunst- und Meinungsfreiheit gerechtfertigt sein". Der "Vollzug von Liegestützen" sei nicht "unerlässlich zur Ausübung der Meinungs- und Kunstfreiheit des Angeschuldigten".

Die Staatsanwaltschaft weist allerdings "ausdrücklich darauf hin, dass das Urteil über die Schuld nur den Gerichten zusteht", schreibt Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann. Aber ob Karle nun zu einer Geldstrafe verurteilt wird oder nicht, es sein schon "ein Signal", dass die Staatsanwaltschaft "nach sorgfältiger Abwägung" diesen Antrag stellt, sagt Eugen Vogt, der Pfarrer der katholischen Pfarrei St. Johann. Auf der einen Seite stehe "das hohe Gut der Kunstfreiheit, aber auf der anderen Seite auch die Religionsfreiheit und das Haus- und Eigentumsrecht", sagt Vogt. Karles Aktion habe "viel Unverständnis und Empörung ausgelöst". Deshalb sei es "ganz in Ordnung, dass das nicht folgenlos geblieben ist". In einer Stadt, in der es eine große Vielfalt an Religionen und Überzeugungen gebe, dürfe "auch der christliche Glaube erwarten, dass respektvoll mit ihm umgegangen wird".

Meinung:

Mit Gefühlen ist es schwierig

Von SZ-Redakteur Martin Rolshausen

Kurz bevor vergangene Woche die Pressemeldung der Staatsanwaltschaft zum Strafantrag gegen Alexander Karle kam, hat mich jemand auf ein Plakat aufmerksam gemacht, das er neulich auf Reisen entdeckt hat und dessen Botschaft für fast alles gilt, was auf unserem Planeten passiert. Auf dem Plakat steht: "Vom Mond aus betrachtet spielt das Ganze gar keine so große Rolle."

Vom Mond aus gesehen, ist die Aufregung um ein paar Liegestütze auf einem Steinblock in einem barocken Gebäude albern. Nun betrachten wir Menschen die Welt aber viel zu selten vom Mond, sondern eher vom eigenen Kirchturm aus.

Selbst von da aus betrachtet, gibt es sicher Dinge, die uns alle, Christen vielleicht ganz besonders, wesentlich mehr aufregen und umtreiben sollten als die Aktion von Karle. Armut in unserer Stadt, Gleichgültigkeit, eine Verrohung der Gesellschaft - das sind Dinge, die uns nicht zur Ruhe kommen lassen sollten. Was die Altarturnerei angeht, kommt aber etwas ins Spiel, was es schwierig macht, zumindest einen Schritt zurückzutreten und das Ganze mit etwas Abstand zu betrachten: Gefühle.

 Der Künstler Alexander Karle.

Der Künstler Alexander Karle.

 Eugen Vogt

Eugen Vogt

Künstler und Kirche haben sich womöglich viel zu sagen. So schwierig es auch ist, miteinander ins Gespräch zu kommen, wenn Gefühle verletzt wurden: Es ist besser, sich zum Gedankenaustausch, als sich vor Gericht zu treffen.

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