Spritzige Hommage an Johanna von Orléans

St Arnual · Geschichte wird lebendig im Theater Überzwerg am Kästnerplatz in St. Arnual: Das Stück „Die grandiosen Abenteuer der tapferen Johanna Holzschwert“ erzählt kindgerecht, witzig und rasant von Johanna von Orléans.

 Sabine Merziger (Mitte) als Johanna. Foto: Kerstin Krämer

Sabine Merziger (Mitte) als Johanna. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

"Keine Ansagen", sagt Martin Brachvogel. Er wird seine Schauspieler die kommende Stunde auf sich gestellt lassen und gegen die eigene Auflage nur ein einziges Mal verstoßen. Wenn Schauspieler Reinhold Rolser einen Rolltisch nämlich an der falschen Bodenmarkierung parkt. Dafür sind die Proben schließlich da: für den Feinschliff. Schauspielalltag. "68 Minuten haben wir", sagt Brachvogel später ziemlich zufrieden mit Blick aufs iPhone. 65 sollen es bei der Premiere am Sonntag dann sein.

Auf den Probebühnen des Theaters Überzwerg gedeiht derzeit Phänomenales. Es ist Martin Brachvogels vierte Regiearbeit. Auch diese erfüllt ihn. Mit seinem Ensemble wird er Kinderaugen leuchten und Erwachsene wünschen lassen, sie hätten das Stück selbst als Kind gesehen. Das Stück "Die grandiosen Abenteuer der tapferen Johanna Holzschwert" ist ein Tagtraum im Kinderzimmer, wo eine Zehnjährige ihre Heldin Jeanne d'Arc nachspielt. Teutonischen Kriegern stellt sie einfach ein Bein, den amtslahmen Dauphin überzeugt sie trotzig zum Heerzug, lässt englische Krieger gegen zahlenmäßig überlegene Franzosen auflaufen (wie sich die Heere wohl ohne die Hilfe zahlreicher Statisten darstellen lassen?). Eine lebendige Geschichtsstunde, ein präzise komisches Alltagsportrait, eine spannende Abenteuergeschichte.

Einzig die Liebesgeschichte fehlt, wobei: Die jungen männlichen Zuschauer werden sich in Scharen in die Hauptdarstellerin verlieben. Sabine Merziger spielt die Zehnjährige glaubhaft. Dazu gehören die gelangweilt aufgeblasenen Backen und die schmollenden Lippen. Oder die erschrocken rollenden Augen, wenn Johanna den Hänseleien der Gleichaltrigen Katharina, Margarete und Michaela ausgesetzt ist. Die Namen sind ein Querverweis auf die Heiligen Katharina und Margarete sowie den Erzengel Michael, die Johanna von Orléans in Visionen erschienen und sie zur Befreiung Frankreichs von den Engländern inspirierten.

Gespielt werden sie von den quasi "drei Tenören" Reinhold Rolser, Sebastian Hammer und Nicolas Bertholet, wobei Letzterer schon eher ein Bass ist. Ob als Johannas Familie, Hofstaat des Dauphins oder als furchterregender Krieger "Hermann der Cherusker", bei dem Rolser den Kopf leiht und die Übrigen als Arme und Beine fungieren. Ein perfektes Team, ein brüllend komischer Dreiklang.

Johanna Holzschwert ist quirlig, keine Frage - dennoch stehen sämtliche Pointen bei Rolser, Bertholet und Hammer zu Buche. Besonders wenn Merziger die drei als Erdmännchenkolonie im Zoo trifft, bleibt kein Auge trocken. Da passt es, dass Sebastian Hammers Timbre dem von Ilja Richter schmeichelnd ähnelt, der das Erdmännchen Timon im "König der Löwen" synchronisiert hat.

Bis zur Premiere am Sonntag um 15 Uhr kann Regisseur Martin Brachvogel "Die grandiosen Abenteuer der tapferen Johanna Holzschwert" noch veredeln. Der Rohbau überzeugt schon.

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