Spekulationsdickicht um den Pavillon

Saarbrücken · Der Baustopp für den Vierten Pavillon sei der Hauptgrund für die Kostenexplosion auf 30 Millionen Euro, das ist die feste Überzeugung der Opposition. Die Landesregierung bestreitet das, legt aber keine Zahlen vor. Um die Baukosten ist ein Spekulationsdickicht entstanden.

 Kostet auf jeden Fall weit mehr als 30 Millionen Euro: der Saarbrücker Museums-Erweiterungsbau. Foto: Oliver Dietze

Kostet auf jeden Fall weit mehr als 30 Millionen Euro: der Saarbrücker Museums-Erweiterungsbau. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Schweigen will gelernt sein. SPD-Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD ) ist durch den Schaden seiner CDU-Vorgänger klug geworden - und still. Während Jürgen Schreier, Annegret Kramp-Karrenbauer, Stephan Toscani und Karl Rauber zwischen 2008 und 2011 die Angaben zu den Kosten des Erweiterungsbaus der Modernen Galerie (Vierter Pavillon) kontinuierlich nach oben schrauben mussten, bis sie bei 24,9 Millionen landeten, trifft Commerçon seit 2012 lieber gar keine Aussage mehr. Obwohl er das ohne Zweifel könnte - zumindest, was den Baustillstand angeht. Er würde damit verhindern, dass die Opposition immer gewagtere Thesen entwickelt. Der 2011 verhängte - und unnötige - Baustopp sei der Kostentreiber Nummer eins, heißt es. Unterstellt wird, dass Commerçon nur deshalb schweigt, weil er ein weiteres finanzielles Horrorszenario enthüllen müsste.

Zu widerlegen wäre dies ganz einfach, durch Zahlen: Wie viel hat der Baustopp bis dato gekostet - und wie viel könnte er schlimmstenfalls kosten, wenn alle Firmen ihre Forderungen durchsetzten? Dass der kaufmännische Vorstand der Stiftung, Bernd Therre, dies errechnet hat, ist seine Pflicht. Denn Gerüst und Sicherheitsdienst sind zu finanzieren, und Verfahren sind bereits anhängig. Dies bestreitet Therre nicht. Doch die Summen nannte er auf gestrige Nachfrage der SZ nicht. Wird sein früherer Vorstandskollege Meinrad Maria Grewenig, der heute im Untersuchungsausschuss gehört wird, Aufklärung geben?

Nach Auskunft der Architektenkammer stehen "erfahrungsgemäß" die potenziellen Ausfallsummen in den Verträgen drin. Und wenn nicht, gilt die Vergabeordnung für öffentliche Projekte (VOB). Sie regelt auch die "Behinderung und Unterbrechung der Ausführung". In Rechnung gestellt werden dem Auftraggeber dann, hier der Stiftung, teilweise ausgeführte Leistungen plus Zusatzkosten, die der Firma entstanden sind. Bei "Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit" können sogar Schadenersatz-Ansprüche geltend gemacht werden. Und lässt sich Fahrlässigkeit nicht aus der "Missmanagement"-Bilanz des Saarbrücker Ingenieurbüros WPW ableiten?

Kurz: Die Mehrkosten für den Baustopp wären bezifferbar. Wollte das Kultusministerium das "transparente Regierungshandeln" praktizieren, das die eigene Partei, die SPD , in Sachen Pavillon einst empört einforderte, müsste es sie preisgeben. Informiert wurde zumindest schon darüber, wie viel von den 29,4 Millionen Euro , auf die WPW das Projekt taxierte, bereits verbaut sind: 12,4 Millionen stecken im Rohbau. Das neue Architektenteam Kuehn Malvezzi hätte also noch etwa 17 Millionen, um den Erweiterungsbau zu vollenden. Wobei fest steht, dass die magische Richtzahl "unter 30 Millionen", an die die Öffentlichkeit sich gewöhnt hat, weit überschritten werden wird. Fertig zu stellen ist mit 29,4 Millionen nur der Innen-Umbau. Die Kosten für die umgeplante Fassade, für die parkähnlichen Außenanlagen und für Rechtsstreitigkeiten stecken nicht mit drin. Das veranlasste die Grünen vor geraumer Zeit, spekulative 45 Mio. Euro als Endsumme in die Debatte zu blasen. Realistisch oder nicht?

Am 12. September schlägt die Stunde der Wahrheit. Dann legen die für den Weiterbau engagierten Architekten Kuehn Malvezzi dem Stiftungs-Kuratorium erstmals eine valide Kostenschätzung vor. Bis dahin gilt offensichtlich im Ministerium die Durchhalteparole: "Wir lassen uns lieber prügeln, als unseriöse Zahlen in die Welt zu setzen", so Kultus-Staatssekretärin Andrea Becker (SPD ) zur SZ. Deshalb werde man auch keine Schätzungen der Baustillstandskosten vornehmen. Denn diese müsse man wegen der Unwägbarkeit der Prozesse dauernd wieder korrigieren. Warum nicht? Günstigstenfalls gehen die Kosten mal nach unten.

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