SPD-Parteitag: Grundsatzkonflikt um Schuldenbremse

Neunkirchen · Die wichtigste Personalie der Saar-SPD für die Landtagswahl 2017 ist geklärt. Beim Landesparteitag ging es aber auch um politische Inhalte – und hier wird der Konflikt mit der CDU in einem Punkt immer deutlicher.

 Parteichef Heiko Maas, Saarbrückens OB Charlotte Britz und Partei-Vize Eugen Roth bejubeln Anke Rehlinger. Foto: Becker&Bredel

Parteichef Heiko Maas, Saarbrückens OB Charlotte Britz und Partei-Vize Eugen Roth bejubeln Anke Rehlinger. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Dafür, dass die Spitzenkandidaten-Frage beim SPD-Landesparteitag eigentlich gar keine Rolle spielen sollte, ging es am Samstagmorgen in der Neunkircher Gebläsehalle denkbar schlecht los. Tagungsleiter Stefan Pauluhn verhaspelte sich und kündigte Anke Rehlinger versehentlich als "Ministerpräsidentin" statt als "stellvertretende Ministerpräsidentin" an. Die 300 Delegierten johlten. Als die Wirtschaftsministerin daraufhin ans Mikrofon trat und sich für die "hoffentlich außerordentlich visionäre Begrüßung" bedankte, war die Frage, wer die SPD in die Landtagswahl 2017 führen soll, im Prinzip schon beantwortet.

Die Vorstandswahlen, bei denen Rehlinger das mit Abstand beste Ergebnis einfuhr, taten ihr Übriges. Rehlinger bekam 95 Prozent, Heiko Maas 86, Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz 87. "Aus meiner Sicht hat die SPD klar entschieden", sagte Britz. Rehlinger also ist die Spitzenkandidatin, darf in der Partei aber bis zur offiziellen Nominierung 2016 noch nicht so genannt werden.

In ihrer Grundsatzrede ("Gutes Leben im Saarland"), die die 300 Delegierten mit stehenden Ovationen feierten, rückte Rehlinger die Themen Bildungsgerechtigkeit, "gute Arbeit" und Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt. Sie mahnte, die Politik müsse sich trotz Flüchtlingskrise auch mit den Alltagsproblemen der Bürger beschäftigen. Diese erwarteten, "dass wir nicht wegen des Flüchtlingsthemas alle anderen Fragen, Probleme, Sorgen und Nöte beiseiteschieben".

Rehlinger zeichnete das Bild eines wirtschaftlich starken Landes, baute auch den für Sozialdemokraten eher untypischen Begriff "Heimat" umfassend in ihr Programm ein. Direkte Angriffe auf ihren Koalitionspartner CDU vermied Rehlinger weitgehend. Lediglich als sie Bildungsminister Ulrich Commerçon dafür lobte, in der Regierung 130 neue Lehrerstellen durchgesetzt zu haben, stichelte sie: "Die einen laufen mit dicken Armen rum, die anderen erledigen ihre Aufgaben."

Der SPD-Parteitag offenbarte jedoch deutlicher als je zuvor einen Grundsatzkonflikt innerhalb der großen Koalition: Was wird aus der Schuldenbremse ? Schon am Freitagabend hatte Parteichef Heiko Maas unter großem Beifall der Delegierten erklärt, in Artikel 1 des Grundgesetzes stehe nicht, die Schuldenbremse sei unantastbar, sondern die Menschenwürde. Und der frühere Ministerpräsident Reinhard Klimmt , der beim Parteitag für 50 Jahre SPD-Mitgliedschaft geehrt wurde, gab seiner Partei den Rat: "Eine funktionierende Infrastruktur ist wichtiger ist als ein ausgeglichener Haushalt." Rehlinger sagte, wenn der Bund das Saarland nicht deutlich stärker unterstütze, dann habe sie die Sorge, dass das Land auf lange Sicht die Schuldenbremse nicht werde einhalten können. Das sei "keine schöne Wahrheit", aber man müsse sich ihr stellen.

Um die Eigenständigkeit des Landes zu sichern, drängte Rehlinger auf eine schnelle Lösung bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen. Es gehe nicht darum, 51 Abgeordnetenmandate im Landtag zu sichern; die Eigenständigkeit sei vielmehr "zwingend notwendig", um die Interessen der Region bestmöglich zu vertreten. Das Saarland habe einen Anspruch auf Hilfe. Da hörten es die Delegierten sicher gerne, dass sich der Gastredner, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD ), zu einem "solidarischen Föderalismus" bekannte. "Wir müssen für gleichwertige Lebensverhältnisse überall in unserem Land sorgen", sagte er. Die Geberländer müssten daran denken, dass sie irgendwann auch einmal auf die Solidarität anderer angewiesen sein könnten.

Bleibt die Frage, in welcher Koalition Rehlinger denn Ministerpräsidentin werden soll. Der Antrag der Lesben und Schwulen in der SPD , die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare 2017 zur Bedingung für eine Koalition zu machen, blieb erfolglos. Ulrich Commerçon als Chef der Antragskommission warnte: "Dieser Antrag läuft darauf hinaus, dass wir heute eine Koalition ausschließen." Die Delegierten beschlossen stattdessen einen Kompromissvorschlag der Bundestagsabgeordneten Elke Ferner : Zwar wird die Öffnung der Ehe nicht zur Koalitionsfrage erklärt. Aber bei Abstimmungen im Landtag und Bundestag sollen die SPD-Abgeordneten künftig keine Rücksicht mehr auf den Koalitionszwang nehmen müssen.

Meinung:Befreiende Offenbarung

Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach

Lange hat sich die Saar-SPD gewunden, das zu verkünden, was sowieso vielen als sicher galt: Die Sozialdemokraten ziehen mit Anke Rehlinger in den Wahlkampf. Nun ist es raus. Sei es unbedacht gesagt - oder bewusst "verplaudert". Das bleibt Charlotte Britz' Geheimnis. Für die Saar-SPD aber sollte diese Offenbarung befreiend wirken. Zwar gilt eine zu frühe Kandidatenkür als problematisch, weil die Auserkorene sich in einem überlangen Wahlkampf verschleißen kann. Rehlinger aber muss in puncto politischem Gewicht, Bekanntheit und auch Popularität noch etliche Meter gegen die Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer aufholen. Da hilft der längere Anlauf mehr, als dass er schadet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort