Sorge um Qualität der Erziehung

Saarbrücken. Ab August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf eine staatlich geförderte Betreuung ihrer Kinder unter drei Jahren. Mit dem Krippenausbau will die Bundesregierung eine Betreuungsquote von mindestens 35 Prozent erreichen. Doch nicht nur Krippenplätze sind knapp, auch erzieherische Fachkräfte: Schon jetzt fehlen im Saarland rund 300 bis 400 Erzieher

Saarbrücken. Ab August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf eine staatlich geförderte Betreuung ihrer Kinder unter drei Jahren. Mit dem Krippenausbau will die Bundesregierung eine Betreuungsquote von mindestens 35 Prozent erreichen. Doch nicht nur Krippenplätze sind knapp, auch erzieherische Fachkräfte: Schon jetzt fehlen im Saarland rund 300 bis 400 Erzieher.Im Sommer 2013 wird die Zahl weiter steigen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, schlug Bundesministerin Ursula von der Leyen vor, Langzeitarbeitslose zu Erziehern auszubilden. Die Idee drängt sich auf, "aber gut ist sie noch lange nicht", findet die Leiterin der "Kita Krabbelkiste e.V." Heike Lipp (34): "Langzeitarbeitslose in den Erzieherberuf zu drängen, finde ich falsch. Allein der Vorschlag markiert für mich eine Abwertung unseres Berufsstandes. Bloß weil ich arbeitslos bin, kann ich nicht plötzlich Erzieher werden. Neben der vierjährigen Ausbildung, bei der man im ersten Jahr, dem Vorpraktikum, nicht einen Cent verdient, setzt der Beruf voraus, dass man die Gabe hat, mit Kindern zu arbeiten." Die öffentlich geführte Diskussion über eine Verkürzung der Lehrzeit sei widersinnig.

Dagmar Scherer, Direktorin Jugendhilfe der Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts), die in drei Kitas derzeit 50 Krippenplätze anbietet, wundert sich nicht über den Fachkräftemangel: Dem Beruf haften "geringe Bildungs-, Verdienst- und Karrierechancen" an. Rückendeckung kommt aus dem Bildungsministerium. Der Vorschlag der Bundesministerin sei "ohne Abstimmung mit den Ländern" erfolgt, erklärt Erik Harms-Immand von der Pressestelle. Im Saarland sei ein Mittlerer Bildungsabschluss Zulassungsvoraussetzung für die Ausbildung an den Fachhochschulen und Akademien für Sozialpädagogik. "Ein Großteil der Langzeitarbeitslosen dürfte nicht über diesen Abschluss verfügen", sagt Harms-Immand.

Die Überlegungen, die Ausbildungszeit zu kürzen, sieht der saarländische Bildungsminister Ulrich Commerçon kritisch: "Alle Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, die mit einer verringerten Qualität einhergehen und gute pädagogische Arbeit erschweren, lehne ich grundsätzlich ab." Lisa Dopf (30) sucht gerade einen Krippenplatz für ihren neun Monate alten Sohn. "Für mich ist es wichtig, dass die Betreuung meines Kindes gut ausgebildete Fachleute übernehmen", sagt die studierte Sozialpädagogin: "Mittlerweile dürfte doch jedem klar sein, wie wichtig die pädagogische Arbeit in der Frühförderung ist." Dennoch sagt sie, "spräche nichts dagegen, dass Langzeitarbeitslose den Beruf ergreifen, aber dann muss man ihnen die gleiche Qualifikation mitgeben". Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Die Landesregierung führt derzeit Gespräche mit Arbeitsagenturen und Jobcentern. Eine Umschulung von geeigneten Arbeitslosen kann das Fachkräftepotenzial erweitern, meint Albert Fuchs, Pressesprecher der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit. Nur schnell gehe das nicht, denn "die Umschulungen in den Beruf Erzieher dauern grundsätzlich vier Jahre". Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz meint: "Wenn man qualifizierte und motivierte Menschen, die zurzeit arbeitslos sind, für den Beruf des Erziehers begeistern kann, ist das gut für die Betreuungssituation. Zwei Dinge dürfen nicht passieren: Das Berufsbild des Erziehers mit seiner vierjährigen Ausbildungszeit darf nicht aufweichen, und das Ganze darf nicht zu einem Zwangsinstrument für Arbeitslose werden. Denn unter beidem würden letztlich die Kinder leiden. Eine solche Initiative sollte sich nicht nur auf Langzeitarbeitslose konzentrieren, sondern auch an Menschen richten, die gerade erst arbeitslos geworden oder davon bedroht sind."

Pressesprecher Thomas Blug ergänzt: "Derzeit können wir alle Stellen in Krippen und Kindergärten besetzen." Ob das im nächsten Jahr in Saarbrücken klappt, stehe noch nicht fest und sei wegen des Erziehermangels zumindest fraglich.Foto: Klauke

Meinung

Erzieher besser bezahlen

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

Jetzt sollen es die Langzeitarbeitslosen richten. Weil die Politik verschlafen hat, im Zuge des Krippenausbaus auch rechtzeitig für das geeignete Personal zu sorgen, hat Bundesministerin Ursula von der Leyen nun die Hartz-IV-Empfänger als Zielgruppe entdeckt. Denn was nützen die schönen neuen Räume, die wegen des Krippenausbaus gebaut wurden und werden, wenn die Kinder ohne Erzieher dastehen.

Um nicht missverstanden zu werden: Unter den Arbeitslosen sind sicher einige, die für den Erzieherberuf geeignet sind. Wenn sie wirklich in Krippen und Kitas arbeiten wollen und nicht dazu gedrängt werden, sollen sie auch eine Chance bekommen. Entscheidend ist aber eine gute Ausbildung. Die darf nicht gekürzt werden, nur weil 2013 viele Erzieher fehlen. Die Arbeit in Krippen und Kitas ist viel zu wichtig. Dort werden die Kleinen zum Glück nicht mehr nur "verwahrt", sondern intensiv gefördert. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Anstatt jetzt massenhaft Arbeitslose umzuschulen, ist es viel wichtiger, den Erzieherberuf attraktiver zu machen. Das heißt: Die Frauen und hoffentlich auch Männer müssen besser bezahlt werden. Dann werden viel mehr diesen Beruf ergreifen, und das Personalproblem löst sich langfristig von selbst.

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