Silbensalat mit „Suppengesäß“

Saarbrücken · Mit „Sprechgeknatter“ erfreute Karl-Heinz Heydecke im Theater im Viertel. Der Lautpoet lebt jetzt in Saarbrücken. Man wird ihn also hoffentlich öfter erleben.

 Auch die Mimik ist „sprechend“: K.-H. Heydecke im TiV. Foto: Krämer

Auch die Mimik ist „sprechend“: K.-H. Heydecke im TiV. Foto: Krämer

Foto: Krämer

"Suppengesäß"? "Nuttenbums"? Das sind Ausdrücke, die das Herz jedes Pubertierenden höher schlagen ließen. Bei Karl-Heinz Heydecke landen sie mit harmlosen "besenreinen Kindern" und "gaumentauben Rindern" in einem melodisch-rhythmischen Silbensalat, der sich noch aus ganz anderen Zutaten zusammensetzt: aus ineinander verschraubten Vokalen und Konsonanten, aus Knittelversen und Schüttelreimen, aus zerdehnten Lauten und wildem Schnauben - serviert mit sonorem Gebrummel und hektischem Gejapse, orgasmischem Grunzen und beschwörerischem Raunen oder mit fidelem Jodeln.

Aber stets hochakrobatisch und mitunter so atemberaubend schnell, dass man sich wundert, wieso der Mann hinterher keinen Knoten in Zunge und Lippen hat: Karl-Heinz Heydecke, Jahrgang 1957, aufgewachsen in Braunschweig, verheiratet mit der Schriftstellerin Sonja Ruf und neuerdings Wahl-Saarbrücker, ist Lautpoet und Meister einer onomatopoetischen Wortkunst, die er selbst salopp als "Sprechgeknatter" abtut. Dieser Tage trat der Wortartist im Theater im Viertel (TiV) auf und verblüffte dort mit "Meuchel die Flatscher!" auch als verbaler Ausdauersportler: Über zwei Stunden lang kredenzte er nicht nur Lautgedichte, sondern auch Nonsenslyrik - alles aus eigener Feder, versteht sich.

Bei seinen humorigen Erläuterungen macht der studierte Linguist Heydecke keinen Hehl daraus, dass er aus einer langen Tradition von Barock bis zu Dada und Konkreter Poesie schöpft. Heydecke emanzipiert seine Kunst jedoch von allem Kopflastigen und huldigt dem reinen Sprachklang, indem er jeglichen Bedeutungballast abwirft. Dabei wildert er in archaischen "Mundart-Gallerten" oder fremden Zungenschlägen - dem phonetischen Knattern skandinavischer "Knäckebrotminen" etwa setzt er in seiner "Nordland-Hymne" ein artikulatorisches Denkmal. Oder er erfindet durch Laut-Verschiebung Wörter, die es geben könnte, und setzt sie zu Texten mit Restverständlichkeit zusammen. Und manchmal lässt er sich als hauptberuflicher Logopäde tatsächlich von Krankheitsbildern inspirieren: Die Logorrhoe, umgangssprachlich als Sprechdurchfall bekannt, mündet bei ihm etwa in Quasselkaskaden von Dauertelefonierern.

Lautgedichte schreibt Heydecke seit 2002; als Musiker und Multiinstrumentalist (Geige, Klavier, Gitarre) steht er jedoch schon seit 30 Jahren auf der Bühne und ist heute auch als Vokalperformer à la Jaap Blonk unterwegs - dieser bescherte ihm auch sein Erweckungserlebnis als Lautpoet.

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