Sie machte den Satyr wieder zum Mann

Saarbrücken · Sie setzte Scherben zu Vasen zusammen, sie wusch Farben ab, mit denen die antiken Kunstgegenstände im 19. Jahrhundert übermalt worden waren, sie rekonstruierte die ursprüngliche Bemalung und sie entlarvte eine Fälschung. Ohne Diplomrestauratorin Nicole Kasparek wäre die Saarbrücker Ausstellung „Inspiration Antike“ völlig anders.

 Nicole Kasparek bei der Arbeit an der Büste von René von Boch-Galhau. Foto: Iris Maurer

Nicole Kasparek bei der Arbeit an der Büste von René von Boch-Galhau. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

"Die Ausstellung ist etwas ganz Besonderes. Sie ist ein Höhepunkt meiner Arbeit. Auch weil wir uns mit dem griechischen und römischen Kulturkreis im Saarland nicht oft beschäftigen", erklärt Nicole Kasparek, Diplomrestauratorin und zuständig für die Restaurierung der Exponate in der Ausstellung "Inspiration Antike", die zurzeit im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken zu sehen ist.

Nicole Kasparek hat für ihren Beruf eine lange Ausbildung absolvieren müssen. Die Saarbrückerin machte zuerst ein zweijähriges Vorpraktikum und studierte in Berlin das Fach Restaurierung von archäologischem Kulturgut.

"Der Schutz von Kulturgut ist eine große Aufgabe, für die man eine gehörige Portion Engagement braucht, auch in der Ausbildung", sagt sie und lächelt. Seit 2009 ist sie Mitarbeiterin beim Landesdenkmalamt. Und hier ist sie für die Materialien zuständig, die bei Ausgrabungen gefunden werden.

Diese Objekte stammen aus ganz verschiedenen Epochen, antike Funde sind im Saarland aber keltischen Ursprungs. Daher war für Nicole Kasparek die Arbeit an den Exponaten aus der griechischen und römischen Epoche ein Glanzpunkt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Landesdenkmalamt und der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz , zu der das Museum für Vor- und Frühgeschichte gehört, ist im archäologischen Bereich sehr eng. Daher hat Nicole Kasparek nicht nur die Objekte für die Ausstellung "Inspiration Antike" restauriert, sie hat auch an der Ausstellung mitgearbeitet.

"Ich habe für eine Prunkschale, die von beiden Seiten bemalt ist, eine Halterung entworfen, damit der Besucher beide Seiten der Schale bewundern kann", erzählt die Restauratorin. Die meiste Zeit aber war sie mit der Restaurierung der Exponate beschäftigt, und da hat sie Überraschungen erlebt.

"Die meisten Objekte wurden im 19. Jahrhundert bereits restauriert und dabei teilweise übermalt. Da man damals noch keine chemischen, sondern natürliche Substanzen verwendet hat, konnte man viele Übermalungen oder Ergänzungen einfach abwaschen", erklärt Nicole Kasparek.

Ganz begeistert war sie von den zarten und feinen Bemalungen der griechischen Vasen und Amphoren, auch wenn sie zerbrochen waren. Dann hat Nicole Kasparek die Teile wieder zusammengefügt. "Das geht schnell, dafür hat man einen Blick. Außerdem geben die Muster und Bemalungen das Zusammensetzen vor." Bei einer Vase war aber auch sie verblüfft. Nachdem sie die Halsamphora des Nikoxenos-Malers vorsichtig gesäubert hatte, stellte sie fest, dass der Satyr im 19. Jahrhundert entmannt worden war. "Da sieht man, dass man im 19. Jahrhundert doch eine andere Moralauffassung hatte", sagt sie und lacht.

In der Ausstellung "Inspiration Antike" darf der Satyr dank Nicole Kasparek wieder ein ganzer Mann sein. Und dann hat sie noch ein Geheimnis gelüftet, diesmal weniger zur Freude der Ausstellungsmacher. Denn sie entlarvte eine antike kleine Scheibe, ein Zierstück von den Pyramiden von Gizeh, als eine Fälschung des 19. Jahrhunderts.

"Da war ich gleich skeptisch, das Material fühlte sich nicht wie Elfenbein an". Diese Scheibe hat, als Fälschung gekennzeichnet, trotzdem einen Platz in der Ausstellung erhalten.

Ausstellung "Inspiration Antike - Eugen von Boch und die Archäologie im 19. Jahrhundert", Museum für Vor- und Frühgeschichte, Schlossplatz 16, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr und Mittwoch von 10 bis 22 Uhr. Noch bis zum 11. September.

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Auf einen Blick Griechische Prunkvasen, keltischer Goldschmuck, etruskische Schnabelkannen, römische Bronzen und mittelalterliche Steinskulptur aus Eugen von Bochs privater Antikensammlung und Leihgaben aus Museen in Berlin, Bonn, Luxemburg und Trier sind in der Ausstellung "Inspiration Antike" zu sehen. Zum ersten Mal in Deutschland auch der "Zeus von Otricoli", eine kolossale Marmorbüste aus den Vatikanischen Museen. Eugen von Boch (1809-1898), Steingutfabrikant zu Mettlach, war - abgesehen von seinen unternehmerischen und sozialen Leistungen - auch auf dem Feld der Altertumswissenschaften tätig. Nicht zuletzt inspirierten antike Funde die Gestaltung von V & B-Produkten. we

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