Seit dem Krieg hat David Rücken

Saarbrücken · So dicht nebeneinander stehen sie sonst nicht: Petrus, Paulus, David, Daniel, Jacobus Major, Caritas , Pax und Fides haben ihre Plätze auf dem Dach der Ludwigskirche verlassen und sind in einer Halle in Burbach aufgereiht. Hier kümmert sich seit ein paar Wochen der Diplom-Geologe Martin Sauder um sie. Erst wenn alle Schäden notiert sind, kann die Restaurierung beginnen. Sauder kartiert nach Vorgaben des Denkmalschutzes, macht also Grundlagenarbeit, auf die eine Kostenschätzung und die Ausschreibung der Restaurierung folgen. Bei Denkmalschützern genießt er als Fachmann einen außerordentlichen Ruf. Gerade erst hat er den Saarländischen Denkmalpflegepreis bekommen. Der gebühre, sagte er nach der Verleihung in Saarbrücken, "auch meinem Team".

 Wie fast alle Figuren vom Dach der Saarbrücker Ludwigskirche ist Jacobus aus Kalkstein. Zur Vorbereitung auf das Restaurieren sind die unterschiedlichen Schäden in unterschiedlichen Farben dargestellt. Grafik: Sauder

Wie fast alle Figuren vom Dach der Saarbrücker Ludwigskirche ist Jacobus aus Kalkstein. Zur Vorbereitung auf das Restaurieren sind die unterschiedlichen Schäden in unterschiedlichen Farben dargestellt. Grafik: Sauder

In der Werkshalle in Burbach steht Pax ganz rechts und sieht recht gut aus. Fides geht es wesentlich schlechter. Auf Martin Sauders Karten ist der Zustand der Figuren an unterschiedlichen Farben ablesbar. Fides ist beim Brand der Kirche in der Bombennacht 1944 erheblich beschädigt worden. Immerhin ist er barock, während Pax aus der Nachkriegszeit stammt. Bildhauer Fred Göllner hat ihn erschaffen.

Jacobus Major wiederum waren in der Saarbrücker Bombennacht 1944 beim Brand an der Rückseite Stücke abgesprengt worden. Die wurden später angeklebt und mit Eisendübeln fixiert. Da diese nicht rostfrei sind, erklärt Sauder, müssen sie ausgebaut werden. Nur so seien weitere Schäden zu vermeiden. Der restaurierte Jacobus lässt zur Freude des Fachmannes an geschützten Bereichen noch die Original-Bearbeitungsspuren des historischen Bildhauers erkennen.

Manches weiß Martin Sauder über die Figuren, vieles muss noch recherchiert werden: im Archiv der Kirche, beim Landesdenkmalamt oder mit Hilfe des Saarbrücker Architekturbüros Krüger&Krüger, das sich bereits in dritter Generation mit der Ludwigskirche beschäftigt. Denkmalpfleger Axel Böcker ist schon jetzt häufig in Burbach, um mit Martin Sauder zu sprechen. Abstimmung ist wichtig, sagt Sauder. Auch mit dem Kirchenbaumeister.

Martin Sauder betreibt seit 32 Jahren in Saarbrücken ein Büro. Die acht Mitarbeiter dokumentieren Schäden an Natursteinen. Schadenskataster mit allen Einzelheiten zu erstellen, gehört zum Tagesgeschäft. Manchmal sind das kleine Aufträge, manches Mal große wie die Außenrestaurierung des saarländischen Landtages, die des Hauberisser-Raumes im Saarbrücker Rathaus, die vier Jahre dauerte, oder die Arbeit an der Alten Oper in Frankfurt. Manchmal ist sie ganz profan, wie etwa die Arbeit an einer Kläranlage in Luxemburg. Und manchmal sind es Herzensprojekte, die den Diplom-Geologen zum Schwärmen bringen. Wie die Figuren vom Dach der Ludwigskirche. "Das macht richtig Spaß", sagt Sauder.

David zählt zu seinen Lieblingen. "Der hat Rücken", beschreibt Sauder ihn schmunzelnd. Doch auch auf der Vorderseite geht es David nicht gut. Algen, Flechten, Moose haben sich festgesetzt. Sie dichten den Kalkstein ab, der kann nicht atmen und zersetzt sich. Tauben, denen man ja allerhand schädigendes Verhalten nachgesagt, seien kein Problem, sagt Sauder. Sie setzen sich nicht auf die Figuren, weil sie dort vor Wind und Wetter nicht geschützt sind.

Kalkstein ist gelb, doch Davids Rücken leuchtet rot, weil er einmal 800 bis 900 Grad heiß war. Brandspuren aus der Kriegsnacht. Martin Sauder hat an den Figuren aber auch Restaurierungsspuren gefunden. Nicht alles, was in früheren Jahren helfen sollte, ist ihnen gut bekommen. Von David etwa löst sich Mörtel ab. Er ist wie die meisten Figuren aus dem Stein aus dem französischen Jaumont, aus dem auch die Metzer Kathedrale gebaut ist. Nur Daniel macht eine Ausnahme: Sandstein, wahrscheinlich aus der Eifel, sagt Martin Sauder.

Bis August 2017 sollten die Figuren in der Halle bleiben. Wer auch immer als Restaurator den Wettbewerb gewinnen wird, wird hier arbeiten. Außer den Figuren sind in der Burbacher Halle auch zwei Amortissements untergebracht. Die eine Figurengruppe war über dem Haupteingang der Ludwigskirche angebracht, die andere in Richtung Staatskanzlei. Ende August hat eine Fachfirma Figuren und Verzierungen mit einem Kran vom Kirchendach geholt und in den geschützten Raum gebracht. Martin Sauder war schon damals dabei, hat sich die acht Figuren an ihren Stammplätzen angeschaut und auch die sechs, die oben blieben. In den neunziger Jahren hatten Restauratoren direkt auf dem Kirchendach gearbeitet. Von Martin Sauder stammt der Vorschlag, dies nicht noch einmal zu tun - unter anderem wegen der Witterung. So muss auch der Denkmalpfleger nicht jedes Mal aufs Dach, wenn er sich mit Martin Sauder abstimmen möchte. Und Sauder kann sich David und die anderen im geschützten Raum genau anschauen. Dabei schwärmt der Geologe dann schon einmal von der Bildhauerei. Mit seinen Mitarbeitern sei er nach Trippstadt zu einem Bildhauerkurs gefahren, erzählt er. Man muss ihn nun kurz anschauen und weiß, dass ihm auch das großen Spaß gemacht hat.

 Martin Sauder neben einem Teil einer Figurengruppe. In der Hand hält er eine Schadenskartierung. Foto: Iris Maurer

Martin Sauder neben einem Teil einer Figurengruppe. In der Hand hält er eine Schadenskartierung. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Im August des nächsten Jahres sollen alle Figuren wieder an ihrem angestammten Platz sein. Doch auch danach bleibt einiges zu tun. Zwar setzt die Großstadtluft den Figuren längst nicht mehr so zu wie noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, gewartet werden müssen sie dennoch. Nur dann, sagt Martin Sauder, hätten sie die Chance, die nächsten 40 bis 50 Jahre zu überstehen.

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