Schulreform: Linke ist nun am Zug

Saarbrücken · Das Nein der SPD zur Gemeinschaftsschule bringt nun die Linke wieder ins Spiel. Deren Fraktionschef Oskar Lafontaine fordert für einen Verfassungskompromiss Maßnahmen gegen den Unterrichtsausfall.

Saarbrücken. Für Bildungsminister Klaus Kessler (Grüne) ist nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der SPD über die Einführung einer Gemeinschaftsschule die Linke am Zug. Kessler schloss gestern eine Zusammenarbeit mit dieser Partei zur Umsetzung der Gemeinschaftsschule nicht aus. Er sagte, die Linke müsse nun entscheiden, ob sie "eigene Akzente setzen" wolle. Kessler verwies darauf, dass die Linke anders als die SPD bisher nicht auf einem festen Klassenteiler beharre, sondern eine "Richtgröße" von 20 bis 25 fordere. Diese könnte in Ausnahmefällen auch überschritten werden.Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine erklärte, seine Partei habe "ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen". Entscheidend sei, "ob die Landesregierung einen Vorschlag macht, wie der zunehmende Unterrichtsausfall an der Saar gestoppt werden kann". Viele Eltern beschwerten sich, dass ihre Kinder immer öfter früher nach Hause kommen. Kleinere Klassen bei zunehmendem Unterrichtsausfall, das könne nicht die Lösung sein. Man brauche mehr Lehrer.

Kessler warf der SPD vor, die Vorschläge von CDU, FDP und Grünen "aus parteitaktischen Gründen abzulehnen, um der Jamaika-Koalition keinen Vorteil zu gönnen". Er fügte hinzu: "Die SPD frisst ihr eigenes Programm." Er verwies darauf, dass die Sozialdemokraten laut ihrer Programmatik selbst ein Zwei-Säulen-Modell für das Bildungssystem wollten und eine Absenkung des Klassenteilers auf 27 anstrebten.

Die aktuelle Forderung der SPD, den Klassenteiler an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen auf 25 abzusenken, hätte die Schaffung von 330 neuen Stellen erfordert, was mit Mehrkosten von 17 Millionen Euro einhergegangen wäre. "Dies", so Kessler weiter, "hätte auch die SPD nicht finanzieren können." Der Minister fügte hinzu, sein Vorschlag, die Klassengröße für Gesamtschulen pro Standort auf durchschnittlich 26 festzulegen und dies auch noch im Gesetz festzuschreiben, hätte zu einem "Riesenfortschritt" für die heutigen Gesamtschulstandorte geführt.

Kessler hob hervor, dass die Koalition zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung gymnasialer Oberstufen der Gemeinschaftsschulen bereit gewesen sei. Darauf verzichte die SPD nun ebenso wie auf eine dauerhafte Absicherung kleiner Schulstandorte sowie auf kleinere Klassen an bisherigen Gesamtschul-Standorten.

Die SPD hatte das von ihr erklärte Scheitern der Verhandlungen damit begründet, dass die Koalition ihr beim Klassenteiler und der Frage der Binnendifferenzierung an den geplanten Gemeinschaftsschulen nicht mehr entgegengekommen sei. Zudem gebe es bis heute keine verlässliche Standortplanung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Landeselterninitiative für Bildung äußerten Verständnis für die Haltung der SPD.

Meinung

Fragwürdiger SPD-Beschluss

Von SZ-RedakteurNorbert Freund

Natürlich wären im Falle eines Kompromisses mit der Jamaika-Koalition nicht alle Blütenträume der SPD wahr geworden. Aber es ist unfair, der Koalition vorzuwerfen, sie hätte sich nicht bewegt. CDU, FDP und Grüne sind bei den Klassengrößen und in der Frage der Binnendifferenzierung der SPD wenigstens ein Stück weit entgegengekommen. Immerhin legte die Koalition zur Differenzierung ein "Orientierungsmodell" vor, von dem die Schulkonferenz nur unter bestimmten Umständen abweichen könnte. Zudem will Kessler den Fortbestand kleiner Schulstandorte im Gesetz besser absichern. Völlig unverständlich ist insbesondere, warum die SPD den von der Koalition eingeräumten Verhandlungszeitraum bis Ende Februar nicht ausgeschöpft hat.

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