Scharfe Rüge für Finanzgericht

Saarbrücken · Deutliche Kritik an einem Beschluss des Finanzgerichtes hat der saarländische Verfassungsgerichtshof geübt. Er stellte fest, dass die Richter die Grundrechte einer Steuerzahlerin verletzt haben.

 Das Finanzgericht in der Saarbrücker Hardenbergstraße. Foto: Becker&Bredel

Das Finanzgericht in der Saarbrücker Hardenbergstraße. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Der zweite Senat des Finanzgerichtes hat eine "krasse Fehlentscheidung" getroffen und damit eine Steuerzahlerin in ihren Grundrechten verletzt. Mit dieser Feststellung hat der saarländische Verfassungsgerichtshof der Beschwerde einer Frau aus Spiesen-Elversberg stattgegeben. Die acht Verfassungsrichter unter Vorsitz ihres Präsidenten Professor Roland Rixecker formulierten in ihrem Beschluss vom 14. September, der unserer Zeitung im Wortlaut vorliegt, eine scharfe Rüge an das Finanzgericht. Dessen im Eilverfahren getroffene Entscheidung (Aktenzeichen 2 V 1194/15) wurde aufgehoben. Von einer "objektiv willkürlichen" richterlichen Entscheidung ist in dem Beschluss des Verfassungsgerichtes (Aktenzeichen: Lv 5/15) zu lesen und von einer widersinnigen Annahme der drei Finanzrichter, die "richterlicher Fairness" widerspreche. Damit habe der zweite Senat unter Vorsitz des Finanzgerichtspräsidenten Professor Peter Bilsdorfer die Grundrechte der Frau auf Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 12, Absatz 1 der Verfassung) und auf ein faires richterliches Verfahren sowie auf rechtliches Gehör (Artikel 60, Absatz 1) verletzt.

Im Kern des Falles geht es darum, dass die drei Finanzrichter in dem Rechtsstreit eines Ehepaares gegen das Finanzamt Neunkirchen einen Antrag als "unzulässig" abgewiesen haben, den die Frau eines Imbissbudenbetreibers nie gestellt hatte. Die Kosten für die Abweisung sollte die Frau zahlen. Nach Schätzungen ging es dabei (ohne Anwaltshonorar) um weniger als 50 Euro.

Die Vorgeschichte: Nach einer Betriebsprüfung kündigte das Finanzamt die Vollstreckung von rückständigen Einkommens- und Umsatzsteuern von mehr als 50 000 Euro an. Als Gewerbetreibender war aber nur der Ehemann umsatzsteuerpflichtig. Über einen Anwalt beantragte das Paar beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Steuerbescheide. In Sachen Einkommenssteuer traten beide Ehepartner als Antragsteller auf, bei der Umsatzsteuer nur der Mann.

Das Finanzgericht vertrat jedoch die Auffassung, auch die Frau habe den Antrag für die Aussetzung der Umsatzsteuerforderung gestellt, und regte dessen Rücknahme an. Obwohl Anwalt Daniel Jung (Neunkirchen) klarstellte, seine Mandantin habe einen solchen Antrag nicht gestellt, lehnte der Senat diesen unterstellten Antrag als unzulässig ab.

Die Verfassungsrichter gehen davon aus, dass ihre Kollegen vom Finanzgericht eindeutige Hinweise, die Steuerzahlerin wehre sich nur gegen den Vollzug der Einkommenssteuerforderung, "nicht zur Kenntnis genommen haben".

Finanzgerichtspräsident Peter Bilsdorfer sagte unserer Zeitung: "Wir akzeptieren natürlich diese Entscheidung!" Anwalt Jung meinte, es sei "erfreulich, dass die Verfassungsrichter klare Worte zu willkürlichen Auslegungen der Finanzrichter gefunden haben."

Meinung:
Peinlicher Rüffel

Von SZ-Redakteur Michael Jungmann

Da haben die Verfassungsrichter des Landes dem zweiten Senat des Finanzgerichts eine saftige Rüge verpasst. Die Feststellung, eine Steuerzahlerin sei durch ihre Entscheidung in ihren Grundrechten verletzt worden, wiegt schwer. Immerhin haben die Richter bei ihrem Dienstantritt einen Eid abgelegt und unter anderem geschworen, ihr Amt getreu der Verfassung des Saarlandes auszuüben. Unter diesem Aspekt kann der Rüffel der Verfassungshüter kaum peinlicher sein. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass auch Finanzrichter Menschen sind und Fehler machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort