Saarbrücken und die Terror-Gefahr

Saarbrücken · Saarbrücken und der Regionalverband sind keine Insel der Glückseligen. Anschläge und Extremismus gab und gibt es auch bei uns: sowohl von Nazis als auch von Islamisten. Ein Saarbrücker schaffte es sogar in die US-Abendnachrichten.

 Aufräumen nach dem Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung. Bei der Explosion 1999 wurde niemand verletzt. Foto: Becker&Bredel

Aufräumen nach dem Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung. Bei der Explosion 1999 wurde niemand verletzt. Foto: Becker&Bredel

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Dinslaken , Wolfsburg, Verviers: Vorige Woche haben die deutsche und belgische Polizei mutmaßliche islamistische Terroristen verhaftet. Nicht nur in Großstädten mit problematischen Vierteln wächst Radikalismus, sondern auch in teils biederen Klein städten mit nahezu Vollbeschäftigung. Wenn Menschen überall zu Fanatikern werden können, wie real ist dann die Gefahr in Saarbrücken?

Fakt ist: Verfassungsschützer schätzten vergangenes Jahr, dass es im Saarland etwa 420 Islamisten gibt. Auf SZ-Anfrage hieß es aus dem Innenministerium im Oktober, dass rund 100 Menschen dem politischen Salafismus zugerechnet werden könnten. "Gewalt beziehungsweise Jihad befürwortende Tendenzen sind lediglich bei Einzelpersonen nicht auszuschließen", so die Antwort. Im Oktober wusste das Ministerium nicht, ob sich aus Saarbrücken oder dem Saarland Islamisten an Kämpfen im Irak und in Syrien beteiligen. Helmut Albert, oberster Verfassungsschützer des Saarlandes, nannte jedoch Vereine in Sulzbach und Merzig als Anlaufstellen der Salafisten.
Anschläge von Rechtsextremen

Fakt ist aber auch: Konkrete Angst mussten im Regionalverband bisher nur Menschen mit Migrationshintergrund oder Nazigegner haben. 2014 brannte wieder ein türkisches Lokal in Völklingen. Zwischen 2006 und 2011 gingen in Völklingen Wohnungen und Geschäfte von Menschen mit ausländischen Wurzeln in Flammen auf. Eine 2011 eingesetzte Sonderermittlungskommission der Polizei konnte zumindest in vier Fällen einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht ausschließen.

Rechtsmotivierten Terror gab es in Saarbrücken schon viel früher: 1999 erschütterte die Stadt ein Sprengstoffanschlag. Fenster in der Umgebung zerbarsten durch die Druckwelle, Splitter flogen bis auf die Auffahrt zur Wilhelm-Heinrich-Brücke. Ziel des Anschlags war das VHS-Zentrum am Schloss, genauer die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944". Die Polizei konnte keine Täter ermitteln, auch wenn es zwischenzeitlich Hinweise auf die Zwickauer Terrorzelle NSU gegeben hatte.

Und Islamisten ? Gefährliche Fanatiker gibt es auch hier. Die Neunkircher Islamisten Eric B. und Daniel S. wohnten und beteten zeitweise gemeinsam in einem Gebäude der Omar-Moschee in der Petrusstraße in Dudweiler-Herrensohr. Eric B. schloss sich mit Glaubensbrüdern Al-Qaida in Afghanistan an und wurde vermutlich bei Gefechten mit pakistanischen Soldaten getötet. Daniel S. wiederum gehörte zur Sauerlandgruppe. Die Terrorzelle plante Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland. Die Jihadisten flogen 2007 auf. Daniel S. wurde zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Strafe sitzt er in Saarbrücken ab.

War die Gefahr damit gebannt? Nein. Im vergangenen Sommer diskutierten Politiker und Bürger über den Balkon eines Mannes in St. Johann. Der hatte dort eine schwarze Fahne gehisst, die auch der Islamische Staat (IS) als Erkennungszeichen verwendet.
Saarbrücker im US-Fernsehen

Michel R., ein Salafist mit dem Kampfnamen Salahudin Ibn Jafar, dürfte für Verfassungsschützer kein Unbekannter sein. Der Sohn einer Deutschen und eines syrischen Christen hat es bereits bis in die US-Medien geschafft. 2010 berichteten dort Fernsehsender und Zeitungen über ihn und seine Frau, eine amerikanische Konvertitin, die von US-Medien "Jihad Kathie" genannt wird. Dem Saarbrücker Paar wurden Kontakte zu bekannten Attentätern nachgesagt. Im Internet zeigte sich das Paar in einem Video mit Sturmgewehr.

Reporter von Spiegel-TV haben 2011 über den Mann recherchiert und unter anderem eine Verbindung zwischen ihm und Arid Uka hergestellt. Uka hatte im März 2011 zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen getötet und zwei andere verletzt.

Einen weiteren Kontakt gab es zu Taimur al-Abdali, der 2010 in Stockholm eine Autobombe zündete und sich anschließend in die Luft sprengte. Auch soll Michel R. mit Daniel S. von der Sauerland-Zelle befreundet gewesen sein. Als Quelle diente den Reportern das mittlerweile gelöschte Facebook-Profil des Saarbrückers. Ein Terrorismus-Experte sagte den Spiegel-Reportern, dass eine derartige Vernetzung mit bekannten Terroristen kaum Zufall sein könnte. Für im Internet veröffentlichte Gewaltvideos wurde Michel R. 2012 in Saarbrücken zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

 Ein Salafist hängte im Sommer 2014 in St. Johann die Erkennungsfahne des IS an seinen Balkon. Foto: Marco Kany

Ein Salafist hängte im Sommer 2014 in St. Johann die Erkennungsfahne des IS an seinen Balkon. Foto: Marco Kany

Foto: Marco Kany

Zum Thema:

HintergrundDer Begriff "Salafismus" bezeichnet laut des saarländischen Innenministeriums "eine islamistische Ideologie und die aus ihr hervorgegangene Bewegung, die von den Muslimen verlangt, sich im Glauben, religiöser Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und dem vom Propheten Muhammad und den ersten Muslimen gesetzten Vorbild auszurichten." Ziel von Salafisten sei die vollständige Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und individuellem Lebensvollzug jedes einzelnen Menschen nach "gottgewollten" Grundsätzen. Das Demokratieprinzip werde kategorisch abgelehnt, eine "weltliche" Gesetzgebung strikt negiert. Damit stünden Kernelemente der salafistischen Ideologie im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Weiter heißt es: "Die Mehrheit der Salafisten lehnt Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele strikt ab; lediglich eine kleine Minderheit befürwortet gewaltsame Protestformen und den ‚Jihad'." fab

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