Saar-Kommunen stoßen an ihre Grenzen

Saarbrücken · Städte und Gemeinden brauchen dringend mehr Wohnraum für Flüchtlinge und mehr Klassenräume an den Grundschulen. Sie müssen auch deutlich mehr Sozialleistungen zahlen, weil die Flüchtlinge nach und nach Hartz-IV-Bezieher werden.

Saar-Kommunen stoßen an ihre Grenzen
Foto: Boris Roessler (dpa)

Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland und damit auch ins Saarland reißt auch im Winter nicht ab. Im Januar kamen in der Landesaufnahmestelle Lebach 1382 Menschen an, überwiegend Syrer. Das sind zwar teils deutlich weniger als noch in den vergangenen Monaten. Rechnet man die Zahl jedoch auf das gesamte Jahr hoch, dann müsste das Saarland 2016 mehr als 16 000 Menschen aufnehmen - 3000 mehr als im vergangenen Jahr.

Die Suche nach Wohnraum dürfte in den nächsten Wochen und Monaten damit noch schwieriger werden. Auch an ganz anderer Stelle kommen die Städte und Gemeinden langsam an ihre Grenzen: beim Platz in den Grundschulen , in der Nachmittagsbetreuung und der Kinderbetreuung. Seit Beginn des Schuljahres 2015/16 wurden wegen der hohen Zahl von Flüchtlingskindern nach Angaben des Bildungsministeriums 145 zusätzliche Klassen gebildet. Es zeichne sich ab, dass die freien Räume in Grundschulen und Kitas bald aufgebraucht seien, teilten die 22 CDU-Bürgermeister gestern mit. Die Kommunen hätten sich in der Vergangenheit wegen des demografischen Wandels auf zurückgehende Kinderzahlen eingestellt, sagte der Sprecher der CDU-Bürgermeister, der Tholeyer Rathaus-Chef Hermann Josef Schmidt . Allerdings werde man zurzeit von dem Zustrom an Flüchtlingskindern eingeholt und müsse daher neue Räume schaffen und einrichten. Die Verwaltungschefs fordern daher ein Investitionsprogramm von Bund und Land mit 100-Prozent-Zuschüssen für Grundschulen und Nachmittagsbetreuung sowie für Kinderbetreuungseinrichtungen. Bei der Kinderbetreuung erwarte man auch eine vollständige Übernahme der zusätzlichen Personalkosten, so Schmidt.

Zusätzliche Kosten entstehen den Städten und Gemeinden in der Flüchtlingskrise auch bei den Ausgaben für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Beziehern, die sie über die Kreisumlage bezahlen. Flüchtlinge erhalten nach ihrer Anerkennung Hartz IV und haben daher auch Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Diese werden für angemessene Wohnungen übernommen. Was "angemessen" bedeutet, wird für jeden Einzelfall geprüft.

Nach Berechnungen des saarländischen Landkreistags erwarten die fünf Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken in diesem Jahr einen Anstieg um mindestens 32 Millionen auf dann rund 161 Millionen Euro. Aller Wahrscheinlichkeit wird das Plus noch höher ausfallen. Denn die Kalkulation berücksichtigt zunächst nur diejenigen Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr ins Saarland gekommen sind und mit einigen Monaten Verzögerung ihr Asylverfahren beendet haben, 2016 also Hartz IV beziehen. Nicht berücksichtigt in der Kostenberechnung sind jene Flüchtlinge, die 2016 bereits gekommen sind und noch kommen werden und deren Asylverfahren im Laufe des Jahres beendet sein wird. Der Landkreistag legte seinen Berechnungen ferner zugrunde, dass bei den Flüchtlingen - wie bei den übrigen Hartz-IV-Beziehern - im Durchschnitt 1,77 Menschen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Da überwiegend männliche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, könnte dieser Wert niedriger liegen, was weitere Millionen-Ausgaben zur Folge hätte.

Sowohl der Sprecher der CDU-Bürgermeister, Schmidt, als auch der Neunkircher OB Jürgen Fried , der die 22 SPD-Bürgermeister koordiniert, fordern vom Bund vehement, die Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Vom Bund gibt es bisher aber keine solchen Signale.

Meinung:Die Gemeinden saufen ab

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Immer deutlicher zeigt sich, wie die Kommunen für die Flüchtlingspolitik des Bundes zahlen müssen. Die saarländischen Städte und Gemeinden, die sich schon heute mit einem strukturellen Haushaltsloch von knapp 200 Millionen Euro herumplagen, müssen in diesem Jahr noch mindestens weitere 32 Millionen an Sozialausgaben hinblättern. Geld, das sie nicht haben. Und es kommt heraus, dass die Kommunen nicht nur viel Geld in neuen Wohnraum stecken müssen, sondern auch in neue Klassenräume und Kita-Gebäude. Es tut weh, mit ansehen zu müssen, wie die Städte und Gemeinden immer weiter absaufen, während sich manche in der Bundesregierung für die Größten halten, weil sie Haushaltsüberschüsse erzielen.

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