Rückkehr der Schienen machte Schlagzeilen

Saarbrücken · Saarbrücken bekam ab 1995 wieder eine Straßenbahnstrecke. Sie wuchs stetig. Heute hat die Saarbahn jährlich 13 Millionen Fahrgäste.

Der Wettkampf schien endgültig entschieden zu sein zwischen Schiene und Straße, zwischen Straßenbahn und Bus. Die früher langsame, an starre Trassen gebundene Bahn hatte dem zunächst schnelleren und in jeden Stadtteil fahrenden Bus scheinbar nichts mehr entgegenzusetzen. Doch dann wendete sich das Blatt.

Zwar wollten immer mehr Menschen mit dem Bus in die Stadt. Aber sie steckten zu oft und immer länger im Stau. Saarbrückens Verkehrsplaner mussten denn auch vor gut zwei Jahrzehnten gleich zwei Herausforderungen meistern. Das klassische Bussystem war in Saarbrücken an seine Grenzen gelangt und hätte noch mehr Passagiere nicht mehr verkraftet. Mit dem Umbau der Bahnhofstraße zur Fußgängerzone fehlte den Bussen außerdem eine zentrale Achse.

Was also tun? Fachleute und Politiker hielten die Rückkehr eines Nahverkehrssystems auf Schienen für die beste Idee. Doch müsste, so der Plan, deutlich mehr dabei herauskommen als eine innerstädtische Straßenbahn. Die neuen Fahrzeuge sollten an der Oberen Saar auch auf Bahnschienen unterwegs sein und - mit dem französischen Zielort Saargemünd - nicht nur die Stadt-, sondern sogar die Staatsgrenze überqueren. 1992 startete das Projekt Saarbahn. Norbert Walter hatte es maßgeblich mitentwickelt und verwirklicht. Kernstück des Saarbahn-Projektes wurde die 44 Kilometer lange Strecke zwischen Saargemünd und Lebach. Das machte Saarbrücken zur ersten deutschen Stadt, die sich ein komplett neues Schienennahverkehrssystem zulegte. Im Juni 1995 begann der Bau der Innenstadtstrecke vom Römerkastell bis zum Unteren Malstatt.

Am 24. Oktober 1997 ging die Saarbahn in Betrieb. Fertig war das erste, rund 19 Kilometer lange Teilstück zwischen der Ludwigstraße in Malstatt und Saargemünd. Tausende feierten am Eröffnungstag mit.

Schon lange vor der Eröffnung der ersten Saarbahnstrecke reisten Fachleute aus dem In- und Ausland nach Saarbrücken, um sich die Bauarbeiten anzusehen.

Erst recht war von Interesse, wie die Saarbahn sich im Alltag bewährt. Allein 1998 informierten sich 30 Besuchergruppen über Entstehung und Betrieb. Delegationen aus Frankreich, Japan, Schweden und den Be-Ne-Lux-Ländern bezeugten die internationale Beachtung, die die Saarbahn damals erfuhr.

Bei der Ausstellung "Mobicity '99" zum Verkehr in Städten gab es sogar einen Innovationspreis für die Saarbahn. Grund: "ihre Einzigartigkeit im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Verkehr".

Die Fahrzeuge haben eine Zweisystem-Technik. Sie arbeiten auf den Straßenbahnschienen mit 750 Volt Gleichstrom und auf der Eisenbahnstrecke mit 15 000 Volt Wechselstrom. Dank Niederflurtechnik steigen die Fahrgäste schwellenlos ein. In jedem der 37 Meter langen Fahrzeuge gibt es 96 Sitz- und 147 Stehplätze.

Zügig ging der Ausbau voran: Die Josefsbrücke mit Gleisen, Oberleitungen, Fußgänger- und Radweg wurde im Juni 1999 fertig und verbindet das Untere mit dem Oberen Malstatt. Die 80 Meter lange und 2,90 Meter breite Stahlbrücke ist ein Meilenstein beim Saarbahn-Bau. Auf ihr überwinden die Bahnen eine Steigung von sieben Prozent. Für den Bau der Brücke, einer Anbindung an den Saardamm sowie der Haltestelle "Cottbuser Platz" waren Investitionen in Höhe von rund 12,5 Millionen Euro erforderlich. Der damalige saarländische Ministerpräsident Reinhardt Klimmt eröffnete die Haltestelle Cottbuser Platz am 31. Juli 1999.

Auch das war nur eine Zwischenstation. Mit dem Weiterbau bis Riegelsberg und nach Lebach wuchs die Linie auf eine Länge von vorerst 44 Kilometern. Inzwischen befördern die Saarbahnen 13 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Die Diskussion über den Aufbau eines Saarbahn-Liniennetzes - etwa nach Forbach - geht weiter.

Aber die neue Bahn brachte nicht nur Gutes, besonders für die Saarbrücker Innenstadt. Die Trasse und ihr Bau haben zum Beispiel der Kaiserstraße unübersehbar zugesetzt. Das ist bis heute eine Herausforderung für die Hauseigentümer - und die verbliebenen Ladeninhaber.

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