Rollstuhlfahrer rumpelt entnervt durch die Stadt

Saarbrücken. Bismarckstraße, Museumsbaustelle: Werner Ferger (62) erreicht auf seinem Elektrorollstuhl das, was er "die erste Barriere" nennt. Schwellen machen den Bürgersteig zur Buckelpiste und schütteln seinen Körper durch. Es ist die erste Hürde von vielen auf der Fahrt durch Saarbrücken

 Schon dieser Bordstein behindert Rollstuhlfahrer.

Schon dieser Bordstein behindert Rollstuhlfahrer.

Saarbrücken. Bismarckstraße, Museumsbaustelle: Werner Ferger (62) erreicht auf seinem Elektrorollstuhl das, was er "die erste Barriere" nennt. Schwellen machen den Bürgersteig zur Buckelpiste und schütteln seinen Körper durch. Es ist die erste Hürde von vielen auf der Fahrt durch Saarbrücken.

Jeden Tag, erst recht in jeder Minute auf dem Weg durch die Stadt, erinnern ihn Hindernisse auf den Bürgersteigen an seine unheilbare Krankheit: die amyotrophe Lateralsklerose. Sie zerstört Zellen, die die Muskeln steuern. Geh-, Sprech- und Schluckstörungen, Schwäche in den Armen und Händen setzen den Betroffenen ständig zu. Aber all das bestärkt Ferger nur in dem, was er "mein Projekt" nennt: "barrierefreies Leben und Arbeiten". Und er weiß, dass viele davon profitieren würden.

"In Saarbrücken leben derzeit 40 450 Menschen mit Behinderung. 23 312 davon sind schwer- oder schwerstbehindert", teilt die Stadtpressestelle mit. Umso unverständlicher sind für Ferger Hürden, aus Gedankenlosigkeit gebaut.

Meter für Meter will er auf dem Weg durch Saarbrücken zeigen, wo nicht Krankheiten, sondern Planer, Straßenbauer und Architekten den Behinderten Barrieren in den Weg stellen. "Bushaltestellen haben zu niedrige Bordsteine. Daher kommen wir trotz Absenktechnik nicht in den Bus, zum Beispiel am Versorgungsamt Hochstraße. Ich kann nicht ins Bürgeramt am Rathaus, weil ein behindertengerechter Türöffner fehlt. Am Sozialamt kann ich die Tür nicht öffnen, aber ich komme auch nicht an die Klingel. In vielen Ärztehäusern ist der Aufzug zu klein, oder es gibt gar keinen. Fußwege sind voller Löcher. Pflaster ist lose, oder es fehlt."

Schon muss Ferger wieder vor einem Hindernis stoppen. Mühsam schiebt der Elektromotor den Rollstuhl über den Bordstein. Der mag Gesunden niedrig erscheinen. Aber ein Muskelkranker hat damit zu kämpfen.

Dann eine Adresse, die Ferger unbedingt zeigen will: Bismarckstraße 20, das Haus der Evangelischen Stadtmission. Er durchquert die Einfahrt, steht lächelnd in einem barrierefrei erreichbaren Hof, den er prima findet. Pflanzen, die in der Bibel eine Rolle spielen, gedeihen prächtig. Wein, Schilf, sogar Palmen. Die idyllische Umgebung gibt Ferger Kraft vor den nächsten Hürden. Und sie nährt seinen Traum, dass es diese Hürden eines Tages nicht mehr gibt.

Ferger beschriftet einen Zettel, der daran erinnern soll. "Mein Projekt: barrierefreies Leben und Arbeiten. Von der Geburt bis zum Tod."

Stichwort

Zum Service für Behinderte gibt die Stadt folgende Infos:

Von rund 400 Haltestellen sind 23 barrierefrei erreichbar. Für barrierefreie Haltestellen hat die Stadt jährlich nur rund 145 000 Euro, genug für zwei bis vier Haltestellen. Die Verkehrsbetriebe kaufen in den nächsten fünfJahren 40 Busse, die Fahrzeuge ohne Absenktechnik oder Rampe ersetzen.

170 Behindertenparkplätze gibt es in der City.

Barrierefreiheit: Die Stadt achtet auf barrierefreie Zugänge an ihren Gebäuden. Bei Kritik prüft das Amt für soziale Angelegenheiten, was sich ändern lässt.

Kontakt zum Behindertenbeirat: Tel. (06 81) 9 05 34 85, Fax: 9 05 34 44, gudrun.schoenmeier@saarbruecken.de

Hausbesuche: Mitarbeiter besuchen Behinderte auch zu Hause oder im Heim. Termine unter Tel. (06 81) 9 05 32 67.

 Vorbildlich: der Hof der Evangelischen Stadtmission.

Vorbildlich: der Hof der Evangelischen Stadtmission.

 Diese Schwellen nerven Werner Ferger täglich. Fotos: Iris Maurer

Diese Schwellen nerven Werner Ferger täglich. Fotos: Iris Maurer

Weitere Kontaktadressen unter www.saarbruecken.de ole

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